-->Die US-Konjunktur zieht endlich auch den Arbeitsmarkt mit. Doch die Wall Street zaudert und zögert - zumal die Auswirkungen des gigantischen Skandals noch nicht absehbar sind, der derzeit Millionen Fonds-Anleger tief verunsichert.
Das Finanzhaus, das Mrs. Platts Rente verwaltet, ist Putnam, der fünftgrößte Anbieter von Investmentfonds in den USA. Der Gigant aus Boston (272 Milliarden Dollar Einlagen auf zwölf Millionen Kundenkonten) steht im Mittelpunkt des jüngsten Wall-Street-Skandals, zusammen mit mehreren anderen Schwergewichten der Branche.
Bezirksgericht Massachusetts, Klageschrift 03-12082-EFH: Putnam soll seine Kunden durch illegale Handelstricks benachteiligt haben. Davon profitierten laut Vorwürfen der US-Börsenaufsicht SEC ein paar bevorzugte Großkunden und Manager im eigenen Haus.
"Sie stimmen mit ihren Dollars ab"
Die SEC ermittelt derzeit gegen gut zehn andere Konzerne in dieser gigantischen Sieben-Billionen-Dollar-Branche, in der es seit Jahrzehnten keinen großen Skandal gegeben hat."Ich dachte, Fonds seien zuverlässig und ehrlich", jammert Mrs. Platt im Interview mit der"New York Times"."Mein Glaube ist erschüttert." Sie hat ihr Putnam-Konto aufgelöst und ihr Geld anderswo untergebracht.
New York - Roslyn Platt ist keine Börsen-Zockerin. Es war die Vorsorge fürs Alter, die die 80-Jährige aus Kalifornien an die Wall Street trieb. Wie jeder zweite Bürger in Amerika hat sie ihre Ersparnisse in einen Investmentfonds gesteckt. Sie lebte von der Rendite. Bis jetzt.
Und nicht nur sie. In der ersten Woche nach Bekanntwerden der SEC-Ermittlungen haben erboste Putnam-Privatkunden Einlagen im Wert von 4,4 Milliarden Dollar abgezogen. Hinzu kommt noch mal so viel von institutioneller Seite. Denn auch die Rentenanbieter etwa der US-Bundesstaaten, die Geld in Fonds anlegen, werden in großem Stil abtrünnig."Die Anleger", sagt Robert Adler, Präsident der Beraterfirma AMG Data Services,"stimmen mit ihren Dollars ab."
Positiv oder scheußlich?
Obwohl die ersten Vorwürfe vor zwei Monaten bekannt wurden, stiegen die US-Aktienindizes bisher weiter. Nachdem in der vergangenen Woche auch Vorwürfe gegen den Fondsbereich von Prudential bekannt wurden, könnte die Stimmung aber drehen. Fast scheint es, als hätte sich die Laune an der Wall Street bereits eingetrübt. Selbst die erfreulichen Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt konnte den Dow Jones am Freitag nicht lange in der Gewinnzone halten. Stattdessen schloss der Leitindex zum Wochenende mit 9809,79 Punkten sogar niedriger. Auch Nasdaq und S&P 500 schlossen am Freitag im Minus bei 1970,74 und 1053,21 Zählern - wenngleich sie für die Gesamtwoche gesehen noch im Plus sind.
Die spannende Frage diese Woche also lautet: Reichen die Nachrichten von den Fondshäusern aus Bosten, um die Börse nach unten zu ziehen? Oder erreicht der Dow Jones dessen ungeachtet neue Jahresrekorde? Immerhin notierte er am Freitag im frühen Handel rund 100 Punkte im Plus und erreichte ein Tageshoch von 9904. So nah an der 10.000er-Marke war er seit Juni 2002 nicht mehr. Auch der Nasdaq rückte der magischen 2000-Grenze näher - es fehlten nur noch weniger als acht Punkte.
Die Stunde der Wahrheit also naht."Wir glauben, dass der Markt einem Entscheidungspunkt sehr nahe ist", schreibt Anlageberater Richard Williams von Summit Analytic in einem Memo an seine Kunden."Dies ist ein kritischer Moment, und die Folgen könnten entweder sehr positiv sein oder regelrecht scheußlich."
"Dramatische Kehrtwende"
Letzte Woche sah es eher nach"scheußlich" aus. Die meisten Analysten zeigten sich enttäuscht, dass der Job-Schub auf dem US-Arbeitsmarkt der Börse nicht einen stärkeren Aufwärtsdrall gab. 126.000 neue Arbeitsplätze im Oktober, doppelt so viele wie erwartet. Zugleich sank die Arbeitslosenquote auf sechs Prozent, den niedrigsten Stand seit April.
Nach den erfreulichen Konjunkturdaten der Vorwoche - das Bruttoinlandsprodukt wuchs im Quartal um über sieben Prozent - ist das nun schon die zweite positive Überraschung in Folge."Dies ist eine dramatische Kehrtwende", sagt Ian Shepherdson, Chefökonom bei High Frequency Economics."Und es gibt noch Spielraum für einen weiteren Zuwachs."
Besonderes Augenmerk gilt in dieser Woche dem Finanzsektor - American Express, Citigroup und JP Morgan melden Quartalszahlen. Ähnliches gilt für die Tech-Branche, in der Hewlett-Packard, IBM, Intel und Microsoft Zwischenberichte vorlegen.
Geld unter der Matratze
In der zweiten Wochenhälfte dann wird eine Welle von Konjunkturdaten über die Börsianer hereinbrechen. Vor allem Freitag wird ein wichtiger Tag. Zuerst die Einzelhandelszahlen (schon vor Börsenbeginn), dann die Industrieproduktion (kurz nach Börsenbeginn), beide für Oktober.
Hier werden die Ã-konomen wohl Widersprüchliches verkünden: Verbraucherausgaben im Abwärtstrend, Industrie im Aufwärtstrend. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Konsumfreude im dritten Quartal ungewöhnlich - und unhaltbar - hoch war, unter anderem dank einmaliger Steuerrückzahlungen.
Derweil zieht der Fondsskandal weitere Kreise - bis nach Deutschland, wo der Deutschen Bank eine Vorladung des New Yorker Justizministers Eliot Spitzer ins Haus flatterte, der sie zur Herausgabe interner Unterlagen und"detaillierter Informationen" aufforderte. Und bei der US-Starkanzlei Cohen, Milstein, Hausfeld & Toll - bekannt durch die Holocaust-Prozesse gegen die Schweiz - stapeln sich inzwischen Schadenersatzklagen von Anlegern gegen Dutzende Wall-Street-Firmen. Darunter nicht nur Putnam, sondern auch Merrill Lynch, Citigroup, Strong und Janus.
Das alles stürzt Roslyn Platt in ein Dilemma."Wo soll man sein Geld nun hin tun?", fragt sie verwirrt."Man kann's doch nicht mehr unter die Matratze stecken!"
scheint eine turbulente Woche zu werden, was meint ihr?
<ul> ~ Quelle</ul>
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