--><h3>"Die Leute sind süchtig nach Rabatten"</h3>
Preisnachlässe im Weihnachtsgeschäft: Was die Kunden freut, machen die Händler notgedrungen
Kühles Konjunktur-Klima und warme Witterung machen den Einzelhändlern zu schaffen. Sie bieten zur üblicherweise umsatzstärksten Zeit des Jahres Preisnachlass, Bonuspunkte oder originelle Rabattsysteme - und sehen sich häufig mit Kunden konfrontiert, die erbittert um Cents feilschen.
VON ANNE LORENC
Frankfurt · 5. Dezember ·"Reduziert" -"Weihnachts-Sale" -"Preisnachlass". Die Schilder in vielen Geschäften versprechen Schnäppchen zuhauf - ungewöhnlich in der Vorweihnachtszeit, die in einigen Branchen als umsatzstärkste Phase des Jahres gilt."Dem Einzelhandel geht's besch...", sagt ein Händler in der Innenstadt. Nicht nur jenen Kollegen, die wegen des warmen Wetters auf einem Lager voller hoch modischer Winterkleidung sitzen."Aber das darf man ja so nicht sagen", bedauert der Fachhändler. Die druckreife Version liest sich freundlicher: Man möchte in jenen Wochen, in denen früher im vorweihnachtlichen Kaufrausch die Kassen klingelten, seine Kunden an sich binden, ihnen etwas Gutes tun, sie"für ihre Treue belohnen". Die vorweihnachtliche Kundenpflege hat - unter anderem - Textil- und Modehäuser ergriffen, Möbelgeschäfte wie den Handel mit Hausrat.
Einen festen Kundenstamm beglücken beispielsweise die großen Zeil-Kaufhäuser wie Galeria Kaufhof, P & C oder Karstadt mit Bonbons: Besitzer ihrer jeweiligen Kundenkarten erhalten Preisnachlässe für Oberbekleidung. Karstadt und P & C gewähren 20 Prozent Preisnachlass, Kaufhof gibt zehn Prozent zusätzlich aufs Punktekonto."Das ist bei uns keine Kampagne", stellt Karstadt-Geschäftsführer Achim Grunwald klar. Karstadt habe geringere Mengen auf Lager genommen und stehe deshalb nicht stark unter Druck. Hochwertiges wie Strick, insbesondere Cashmere, sei stark nachgefragt, Jacken seien ein"großes Thema". Natürlich gebe es immer"Ware, die sich nicht so bewegt". Deshalb finde man in seinem Haus das ganze Jahr über"durchgestrichene Preise". Der Weihnachtsrabatt richte sich als Dankeschön lediglich an die Karten-Inhaber. Jenen"eingeschränkten Kreis" von rund 40 000"treuen Kunden."
Töpfe auf Talfahrt
Auch weniger Treue können echte Schnäppchen machen. In der Galeria Kaufhof sackten beispielsweise Webpelz-Jacken von 219 auf 149 Euro. Wallis, nicht eben eine Billigmarke, bietet 30 Prozent Nachlass an. Handtaschen, Damenoberbekleidung und Markenjeans für Herren sind im Angebot, bei den Haushaltswaren sind Topfsets auf steiler Talfahrt - eines von 580 auf 290 Euro.
Spielwaren, vermutet der Normalbürger, verkaufen sich in der Vorweihnachtszeit von allein. Mitnichten, sagt Gülden Bispink, Inhaberin des Spielwarengeschäfts Hanne Kley am Roßmarkt. Die Schwiegertochter der Firmengründerin ließ vergangene Woche der FR -"und nur dort", wie sie sagt, einen"Advents-Rabattkalender" beilegen. Er kurbelt den Vorverkauf an. Seit dem 1. Dezember gibt es, täglich um ein Prozentpunkt sinkend, einen Sonderbonus. 24 Prozent waren es am Monatsanfang, am heutigen Freitag sind es noch 18, am Heiligabend ist mit einem Prozent die Talsohle erreicht. Hochwertiges Holzspielzeug, Kinderbücher und -möbel hätten es schwer im Plastikzeitalter.
Auch die Erfahrung der Vorjahre habe sie zu der ungewöhnlichen Idee animiert, sagt Bispink. Es habe sich eingebürgert, ein teures Geschenk zu reservieren, es zwei Wochen liegen zu lassen - und dann doch woanders einzukaufen,"weil es da drei Cent billiger ist". Mit der Kalender-Aktion geht das Angebot frühzeitig über den Tresen, sie könne rechtzeitig nachbestellen. Das Angebot kommt an."Die nehmen uns den Laden auseinander", freut sich der Ehemann. Gülden Bispink ergänzt:"Die Leute sind süchtig nach Rabatten."
Wo es kein Angebot gibt, werden Geschäftsleute mit der Nachfrage konfrontiert. Besonders krass dort, wo es gerade nicht darum geht, von der schmalen Rente oder dem Arbeitslosengeld den Lebensunterhalt zu bestreiten. Unter den Innenstadt-Geschäftsleuten kursieren Geschichten wie die jener Dame, die in ein nobles Juweliergeschäft spazierte, die Handtasche voller Euro-Scheine öffnete und sich Schmuck aussuchte. Mit den Worten:"Ich bezahle nicht Ihre Miete, Ihre Angestellten oder die Stromrechnung." Mehr als den Selbstkostenpreis werde sie keinesfalls hinblättern. Ihr wurde die Tür gewiesen - wie jener Kundin, die eine Couture-Boutique aufsuchte und meinte, 30 Euro für eine echte Nerzjacke seien genug.
Auch die Goethestraße reduziert in Sachen Mode fast lückenlos. Nur dezenter. Bei Rena Lange verkünden unscheinbare Schildchen:"30 Prozent". Juwelier Friedrich, einer der ganz Großen der Branche, lässt bunte Lichtlein um seine Fenster, darunter eines mit Second-Hand-Schmuck, blinken. Speerspitze im Ausverkauf aber dürfte Christofle Pavillon sein. Beim Kauf einer 110-teiligen Besteckausstattung in Sterling-Silber"schenken wir Ihnen den passenden Zusatz" - im Wert von 1000 Euro.
<b<Kunden finden Preise"realistisch"[/b]
"Durch die Rabatte verlieren die Leute das Gefühl für den Wert einer Ware", bedauert Frank Albrecht, Präsident des Hessischen Einzelhandelsverbands und Inhaber zweier edler Parfümerien in der Innenstadt. Daher sieht er eine Gefahr darin, wenn seine Kollegen nach dem Wegfall des Rabattgesetzes ungezügelt die"Erfahrungsphase" auslebten."Man muss aufpassen, dass dann nicht der Gewinn fehlt."
Nicht an Ersparnis denken jedoch die Verbraucher. Für einige bedeutet der Preisverfall ein"Gesundschrumpfen"."Endlich werden die Preise wieder realistisch" sagt eine Passantin, die durch die Goethestraße bummelt und im Schaufenster von Linda Schuhsalon mit Befriedigung feststellte, dass es sogar dort wieder Pumps für weniger als 100 Euro gibt."Bis vor zwei Jahren lag bei mir die Obergrenze bei 100 Mark."
Grüße
J
|