-->>>
>-------------
>Ja, die sind bestimmt stolz auf solche Tatsachen:
>- weltweit einmalige Geschichtsaufarbeitung
>- Friedensbewegung (s. Irakverweigerung)
>- Demokratiebewußtsein (in Relation zu anderen Nationen)
>- Rechtsverständnis
>- Umweltschutz
>- Hilfsbereitschaft (Spendenbereitschaft)
>- Technologischer Standard
>- soz. Sicherungssystem
>- und natürlich die einmalige Landschaft
hallo,
nä, nä, nu sei doch nicht immer sooo verklemmt,
sei doch mal ein klitzekleines bisschen lockerer.
und hier noch einer, einen richtigen Pychologe, der"es", extra für dich, dir noch einmal erklärt:
Du brauchst wirklich nicht so viele Bedenkenträger-Sorgenfalten zeigen. Das macht nur unnötig alt.
<font size="5">Die Frage stellt sich:
Was ist hier los? Und was ist passiert?</font>
<font size="4">Wir könnten beruhigt sein! Fußball sei wie eine unsterbliche Geliebte, mit der man immer wieder von vorne anfangen könne...</font>
Während der WM gerieten die Deutschen in einen Fußballrausch.
Nun erwachen sie und rätseln, was da bloß über sie gekommen ist.
Der Kölner Psychologe Stephan Grünewald gibt Aufschluß.
Millionen Menschen erlebten während der WM eine wundersame Verwandlung: Aus normalen Bürgern wurden leidenschaftliche Fußballanbeter in Schwarz-Rot-Gold. Welche Kräfte aus den Tiefen des Unbewußten brachen da hervor? Der Psychologe Stephan Grünewald fand sieben Gründe für die Fußballfaszination:
Meinten Sie wirklich, werte Leser, Sie schauten sich Fußball an, weil Sie gern Fußball schauen? Weit gefehlt, meint der Psychologe Stephan Grünewald. Tatsächlich sei es so: Sie schauen sich Fußball an, weil Sie gern wieder in der Gebärmutter schwimmen würden. Deshalb besuchten Millionen die öffentlichen Übertragungen der WM-Spiele. Denn in den Menschenströmen und Fahnenmeeren packte den Einzelnen ein"ozeanisches Gefühl": Der Mensch löste sich in der Masse auf, er verflüssigte sich unter Tausenden vor der Großleinwand, aber auch unter ein paar Dutzend in der knüppelvollen Dorfkneipe. In solchen Momenten erfüllte sich die geheime Sehnsucht nach der vorgeburtlichen Harmonie im Uterus, nach der"Einheit, in der ich nicht mehr weiß, was Mutter ist und was ich selbst bin" (Grünewald). Das hätten Sie nicht gedacht, oder?
Selbstverständlich hat auch niemand im Land einfach nur zum Spaß Auto, Balkon oder Fensterbank mit den Nationalfarben geschmückt. Oder glaubten Sie das? Dann sollten Sie dringend Kontakt mit Ihrem Unbewußten oder Herrn Günewald aufnehmen. Die würden Ihnen nämlich flüstern, welche Urkraft wirklich dahinter steckt: der Versuch, die Kälte des Seins auszulöschen. Ihr Unbewußtes hat schnell gemerkt, daß die Welt warm und wohlig wird durch den Fußball-Furor. Selbst der grimmige Nachbar gewann plötzlich menschliche Züge, als er beim Elfmeterschießen am Fenster auftauchte und nur durch die vorgehaltene Hand auf den Fernseher spingste. Und so wärmte der Fußball viele Lebensbereiche: Die Tageszeitung wurde zum aufregenden Leseerlebnis, Pflichtkonversation im Büro erblühte zu gehaltvollem Gespräch, und an Spieltagen der Deutschen spürte man in jedem Passanten auf der Straße den Schicksalsgenossen. Kurz:"Das Gefühl, in einer fremden Welt verloren zu sein, schmolz während der WM dahin", wie es Psychologe Grünewald sagt.
Natürlich gab es auch profane Motive, die zum WM-Fieber beitrugen: Liebe männliche Leser, es ist Zeit für eine herbe Einsicht. Wunderten Sie sich nie, daß Ihre Frau jedes Spiel der Italiener sehen wollte? Daß sie sich an den Namen dieses italienischen Abwehrspielers mit den langen Wimpern erinnerte? Und daß sie Interviews mit Jens Lehmann"viel zu kurz" fand, wenn der schwer atmend im engen Unterhemd vor die Kamera trat?
Sie glaubten, Ihre Frau habe einfach die Faszination einer offensiv interpretierten 4-4-2-Aufstellung entdeckt? Dann muss Experte Grünewald Ihnen wohl aufhelfen: Die WM war"für Frauen auch ein sinnliches Tuttifrutti" sagt er, also eine Peepshow mit braungebranntem, naßgeschwitztem, muskulösem Männerfleisch. Das ist Ihnen, werter männlicher Leser, über all den 4-4-2-Aufstellungen entgangen, hm? Männer sind wirklich edel.
Wissen Sie, daß im Menschen eine verborgene Sehnsucht nach Magie haust? Die WM war geradezu ein Hochfest magischen Denkens, ja, unsere vormodernen, sonst unterdrückten Seelenanteile rissen uns regelrecht ins mythische Zeitalter. Wie sonst wäre zu erklären, daß wir angestrengt einen Fernseher anstierten und Beschwörungsrufe ausstießen wie"Kämpfen, Deutsch-land, kämpfen!" oder"Fiiiiiiiinaaale!", während das angefeuerte Team viele Kilometer entfernt auf einem Rasen hin- und herlief."Die Fans vertrauten darauf, ihr Glaube könne die Mannschaft zum Sieg führen. Sie glaubten an eine magische Form der Kraftübermittlung", analysiert Stephan Grünewald. Endlich! Das ist die Erklärung: Die Italiener waren nicht besser als wir. In Rom gibt es einfach mehr Magier!
Es wirken aber noch weitere Urkräfte im Fußball, die der WM solche Attraktivität verliehen, meint Grünewald. Beispielsweise der Rausch der Kraft. Wenn ein Hüne wie Ballack reihenweise kleingewachsene Argentinier unter sich begrub, wenn der Riefenstahlsche Recke Jens Lehmann die Bälle von der Linie fischte und wenn der Kommentator schließlich"Deutschland hat gewonnen!" schrie - dann ergötzten wir uns schlicht am Triumph, an der Kraft, dann schwoll uns die Brust.
Während die Deutschen vergangener Tage um dieses Gemütszustandes willen aber mit Vorliebe Einheits-, Blitz- oder Weltkriege planten, wollten die Deutschen dieser Tage nach Siegen eigentlich nur die Nacht durchfeiern. Also: Schämen Sie sich nicht Ihrer archaischen Gefühle. Seien Sie stolz, Ihr kriegerisches Potential in die Weltbefriedungsmaßnahme Fußball umgeleitet zu haben.
Für jeden Weitsichtigen war klar, daß eine WM Gefahren birgt: kehlenwürgende Dramatik im Elfmeterschießen, auf den Magen schlagende Empörung bei Schiri-Fehlern, oder das Ende aller Hoffnung bei fiesen Gegentoren in der vorletzten Minute. Und weil Sie, lieber Leser, vermutlich zu den Weitsichtigen im Lande zählen, wußten Sie bereits, was Ihnen blüht.
Warum sind Sie das Risiko dennoch eingegangen? Weil Fußball nur simuliertes Leben ist. Die WM bot packende Leidenschaft - aber ohne ernstes Leid, mient Stephan Grünewald. Das spüre jeder, der die Niederlage hochbezahlter Fußballmillionäre mit eigenen Problemen in Beziehung oder Beruf vergleiche. Deshalb sei die WM auch die perfekte Passion für schmerzallergische Zeitgenossen und für Menschen, die ihr Schicksal unbedingt kontrollieren wollen: Kippt die Stimmung auf Frust, wird ein Knopf auf der Fernbedienung gedrückt - und schon ist man frei.
Erinnern Sie sich noch an die WM 2002? Deutschland war erfolgreicher als 2006, trotzdem identifizierten sich nicht solch große Fanmassen mit der deutschen Elf. Denn alle Welt urteilte damals, deutscher Fußball sei häßlich und einfallslos, der Erfolg sei nur diesem Fürsten der Finsternis im Tor, Olli Kahn, zuzuschreiben, der die Gegenspieler schon durch seinen Blick in die Flucht schlage.
Wie gemein! Aber dieses Mal war alles anders: Experten in aller Welt bejubelten das deutsche Spiel als kreativ, als ideenreich, ja mitunter als von"positivem Wahnsinn" beseelt. Und sofort spürte die Nation ungeahnte Lust, sich mit dieser Elf zu identifizieren, denn"die Mannschaft wirkte nun wie ein freundlicher Spiegel der deutschen Volksseele", so Stephan Grünewald. Selbst wenn dies eine sich selbst erfüllende Prophezeiung sein sollte: Welcher Deutsche spürte da nicht sogleich positiven Wahnsinn in den Beinen kribbeln?
Heute Abend, nach dem Finale, wird es vorbei sein mit der WM. Und dann? Ganz einfach: Dann geht es weiter. Fußball ist permanente Auferstehung. Im September beginnt die Qualifikation zur Europameisterschaft, danach die zur WM 2010, und zwischendurch kämpfen die Ligaclubs jährlich um Meisterschalen und Pokale. Wir können ganz beruhigt sein, beteuert Psychologe Grünewald, denn:"Fußball ist wie eine unsterbliche Geliebte, mit der man immer wieder von vorne anfangen kann." [b]von Till-R. Stoldt
WAMS-Artikel erschienen am 9. Juli 2006
|