Hi Oldy,
Dein Wörgler Wunder erklärt sich so:
>Da braucht man auch nur drei Tage Wirtschaftsgeschehen betrachten und muß nicht die Herstellungsgeschichte des Geldes bis in die Urzeit untersuchen und auch nicht ob dieses Geld gedeckt war oder nicht. Der Bürgermeister hatte es drucken lassen und sich selber und seine Bediensteten zum Teil damit bezahlt.
Was hat der Bürgermeister bezahlt? Sein Gehalt, das ihm die Gemeinde schuldig war und die Löhne für die Arbeiter, die die Gemeinde ihnen ebenfalls schuldig waren. Deshalb hießen die Wörgler Noten lt. Wohlfahrtsuasschuss ja "Arbeitswertscheine", d.h. sie repräsentierten nicht eine nicht geleistete, sondern eine geleistete Arbeit. Dafür war selbstverständlich Lohn zu entrichten. Die Lohnzahlung erfolgte in Wörgler Noten.
Die Gemeinde hat also für 300 Schilling offene Rechnungen (= Schulden an den BM und die Gemeindearbeiter) bezahlt, nichts anderes. Denn die Gemeinde hat das Geld weder dem BM noch den Arbeitern geschenkt oder gar geliehen.
So nun waren 300 Wörgler Schilling in den Händen des BM und der Arbeiter. Der BM und die Arbeiter kauften damit ein, d.h. sie bezahlten die beim Einkaufen stets ebenfalls entstehenden Rechnungen. Das Einkaufen war kein"Tauschen", denn kein Kaufmann hätte Mehl und Butter gegen Papier getauscht, der Preisunterschied ist offensichtlich. Tausch ist immer etwas, das von den Tauschenden als gleichwertig (gleichpreisig) angesehen wird.
Es war also was? Es war das Tilgen der bei jedem Einkauf beim Käufer entstehenden Schuld. Deshalb fragt der Käufer bekanntlich:"Und was bin ich Ihnen dafür schuldig." ("Dafür" sind die Waren, die auf dem Tresen liegen).
Dann lagen die 300 Schilling also in den Kassen der Kaufleute, die sich dem"Wohlfahrts-System" angeschlossen hatten. Mit den 300 Schilling haben sie nicht etwa bei anderen Kaufleuten etwas eingekauft (sich in Höhe des Kaufpreises schuldig gemacht), sondern sie haben die 300 Schilling sofort an der Gemeindekasse eingezahlt, was sich schon daraus ergibt, dass das Geld wieder in der Gemeindekasse erschienen ist, wie lang und breit dargestellt.
Diese Zahlung war auch kein Geschenk oder gar ein"Tausch", denn was hätte die Gemeinde, die kein Geschäftshaus war, den Kaufleuten an Waren bieten können?
Die 300 Schilling wanderten in die Gemeindekasse, weil die Kaufleute, wie der Wörgl-Kenner Fritz Schwarz laut und deutlich verkündet hat, Steuerschulden hatten, die jetzt um 300 Schilling vermindert waren.
Nun hatte die Gemeinde die 300 Schilling zurück, dies nach der Reihe von Schuldentilgungen, wie beschrieben.
Mehr als diese 300 Schilling konnte die Gemeinde nie und nimmer in der Kasse haben, denn mehr als 300 Schilling hatte sie nicht an den BM und die Arbeiter ausgegeben.
Nun kam der nächste Durchlauf. Die 300 Schilling gingen wieder an den BM und die Arbeiter zur Zahlungen der Schulden, welche die Gemeinde diesen Leuten gegenüber hatte. Dann ein Da Capo wie beschrieben (Gemeinde-Arbeiter-Kaufmann-Gemeinde). Und die Gemeinde hatte wieder die 300 Schilling zurück, die ihr zur Tilgung der offenen Steuerschulden bezahlt wurden.
So waren in der Gemeindekasse wieder 300 Schilling. Als"Umsatz", d.h. als Tilgung von bereits vor Einführung des Wörgl-Geldes existenten Steuerschulden hatte die Gemeinde inzwischen 600 Schilling (aufaddiert!) gemacht.
Dann weiter, bis die Gemeinde die erwähnten 5.100 Schilling eingenommen hatte, wobei jeder einzelne Schilling, der in die Gemeindekasse floss, nichts anderes war als die Tilgung einer der Gemeinde gegenüber existierenden Steuerschuld.
Wie anders hätte die Gemeinde sonst überhaupt Geld einnehmen können? Niemand zahlt einer Gemeinde Geld - außer er ist es ihr schuldig.
Danach wurde die Nummer etwas vergrößert, bis insgesamt die ca. 5.000 Gemeinde-Schilling ausgegeben waren, wobei jeder einzelne Schilling, den die Gemeinde ausgegeben hat, selbstverständlich keine"Geldausgabe" war, auch kein Geschenk oder Ähnliches, sondern einzig und allein eine Zahlung von Schulden, die die Gemeinde dem BM, den Arbeitern und Gemeindelieferanten gegenüber hatte.
Keine Gemeinde der Welt bezahlt irgendwelches Geld an die eigenen Bürger - außer sie muss es tun, weil sie die Zahlung den Bürgern schuldig ist (aus Vertrag oder per Gesetz).
Der"Wert", den die Wörgl-Schilling hatten, resultierte also einzig und allein aus der Tatsache, dass die Gemeinde dieses Geld zur Bezahlung von ihr gegenüber existierenden Steuerschulden akzeptierte.
Das Modell ist uralt. Es wurde schon im 18. Jh. auf breiter Front entwickelt (Sachsen, Preußen) und die Papiere, die damals ausgegeben wurden, hießen"Kassenscheine" oder"Kassenanweisungen"; denn die waren jederzeit für Zahlungen an die Staatskasse zu verwenden.
Wären sie nicht von der staatlichen Kassen als Zahlung akzeptiert worden (als Zahlung selbstverständlich von Steuerschulden), hätte keine Mensch sie auch nur eines Blickes gewürdigt. Niemals hätten die Wörgler Kaufleute Wörgl-Geld akzeptiert, wenn sie damit nicht ihre"rückständigen Steuern" (Fritz Schwarz) hätten bezahlen können.
Auch Hans Eichel kann heute solche Scheine ausgeben. Garantiert er aber nicht, dass mit den Scheinen Steuern bezahlt werden können, wird sie kein Mensch akzeptieren.
Summa: Geld, das"als solches" ausgegeben wird und dann bis ad kalendas Graecas munter"kursiert" ist Nonsens-Papier. Geld aus Papier entsteht immer aus konkreten Schuldverhältnissen (das Papier"dokumentiert" diese Schuldverhältnisse, denn wie anders sollte man Schuldverhältnisse dokumentieren, wenn nicht auf Papier?) und es kann nur dann einen Kurs (Wert) haben, wenn damit Schuldverhältnisse aus der Welt geschafft werden, also bezahlt werden können.
Oder noch mal Wörgl, jetzt ganz simpel: Die Lohnsteuer sei 100 %. Die Arbeiter schuften einen Tag lang für die Gemeinde und erhalten am Abend jeder 100 Wörgl-Geld. Am Morgen des nächsten Tages zahlen sie die 100 Wörgl-Schilling wieder an der Gemeindekasse ein und sind ihre Steuerschulden los.
Wir haben 10 Arbeiter. Also gibt die Gemeinde 1000 Schilling aus, um sie postwendend wieder zu kassieren. Die Gemeinde hat an jedem Morgen 1000 Schilling in der Kasse und zahlt die am Abend wieder aus (nachdem die Arbeit geleistet wurde), um sie am nächsten Morgen wieder zu kassieren, usw.
Nach 10 Tagen sind nach wie vor nur 1000 Schilling (physisch) vorhanden. Aber die Gemeinde kann jubeln und sagen: Obwohl wir nur 1000 Schilling gedruckt und ausgegeben haben, hat die Gemeinde jetzt schon 10.000 Schilling durch ihre Kasse fließen sehen.
Das ist das ganze"Geheimnis" der 300 Schilling, aus denen rätselhafterweise 5100 Schilling werden konnten.
Übrigens: Sind die Steuerschulden bezahlt, stockt das"System" natürlich. Deshalb gab es auch den Plafond bei den Wörgl-Noten, deren"Umlauf" schließlich sogar rückläufig war.
Angenommen, die Gemeinde Wörgl hätte keine Steuern mehr erhoben oder hätte sich als öffentlich-rechtliche Körperschaft aufgelöst, wären alle ihre Schillinge wieder in Nationalbank-Schillinge (mit denen sie angeblich, so BM Unterguggenberger,"gedeckt" waren) umgetauscht worden.
So einfach ist das mit dem Geld und Wörgl ist nicht etwa eine Ausnahme, sondern eine Bestätigung: Geld aus Papier kann nur einen"Wert" haben, wenn damit eine bereits vorhandene Schuld aus der Welt geschafft werden kann.
Gruß (auch an die Tanne)
d.
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