- Nur dumme Herrcher setzen auf Macht - @ dottore - R.Deutsch, 01.07.2002, 09:19
- Re: Zinserklärung - endlich sitzt es! - dottore, 01.07.2002, 19:28
- Re: Zinserklärung - endlich sitzt es! Und wann erscheint die 'revised edition' - Popeye, 01.07.2002, 20:57
- Re: Pax = Friedensschluss per Abgabenleistung - dottore, 02.07.2002, 10:10
- Re: Pax = Friedensschluss per Abgabenleistung - Popeye, 02.07.2002, 12:00
- Re: Pax = Friedensschluss per Abgabenleistung - dottore, 02.07.2002, 10:10
- Re: Zins durch Zwang und Macht? - netrader, 01.07.2002, 20:58
- Re: Zinserklärung - endlich sitzt es! Und wann erscheint die 'revised edition' - Popeye, 01.07.2002, 20:57
- Re: Zinserklärung - endlich sitzt es! - dottore, 01.07.2002, 19:28
Re: Zinserklärung - endlich sitzt es!
Lieber Reinhold,
>kluge Herrcher setzen auf friedlichen Handel und freiwilligen Austausch.
Du willst mir einen"Fürstenspiegel" verkaufen. Davon gibt's Bibliotheken. Dann muss ich leider gleich erklären, dass Machiavelli ein perfektes Geschäftsmodell der Macht abliefert und ein ganz anderes Kaliber ist als Friedrich II. mit seinem"Anti-Machiavell", an den er sich dann ohnehin nicht gehalten hat.
Was tut die Macht von morgens bis abends: Sie hirnt, wie sie die Macht erhalten kann: a) die eigene b) die des Staates, b) bedingt dabei a).
Deine"klugen" Herrscher hätte ich gern mal aufgereiht. Nenne mir bitte eine Handvoll, damit ich sie studieren kann.
Alle sog. "Wirtschaftssysteme" waren nie etwas anderes, als der Weg, Macht zu sichern. Die Macht ist ungemein erfinderisch, man muss sich nur das Hin und Her anschauen: Mal Schutzzölle (Merkantilisten, Bismarck, Hawley-Smoot), mal Freihandel (Cobden, Prince-Smith, Stresemann, GATT-Runden). Mal Nachfrageseite (Roosevelt, Johnson, Wilson), mal Angebotsseite (Thatcher, Reagan). Mal Subventionen, mal keine. Endlos-Kette.
Die Macht schläft nie, die Bürger täglich ein Mal, mindestens.
Friedlicher Handel, freiwilliger Austausch - schön und gut. Für die Macht hat selbst das nur einen Zweck: Die Macht zu sichern. Denn dieses"Friedlich-Freiwillig" ist ein System, in dem sich die Staatseinnahmen am längsten oben halten lassen.
Doch das funktioniert schon längst nicht mehr. Der Zweck der Abgaben ist zwar, die Macht zu erhalten. Sobald die Macht aber auf künftige Abgaben ziehen kann, geht's dahin. Mächte, die sich ihre Einkünfte nicht bevorschussen lassen, sind machtloser als solche, die es tun. Paul Kennedy und Niall Ferguson behaupten zwar, dass die"public debts" jüngeren Datums seien als die"private debts". Nur das ist halt der Irrtum und Beweise liefern sie mitnichten.
Ich bitte ein weiteres Mal um ein Beispiel eines Kreditvertrages, der zeitlich der Abgabe vorausgegangen ist. Ich tue das nicht zum Spaß, zumal es mir viel lieber ist, wenns umgekehrt wäre. Schließlich hatte ich seit dem Dir bestens bekannten"Kapitalismus" (1986) auf ein Modell des umfassend zugrunde liegenden Privatkredits gesetzt, dabei Abgaben und Abgabenschulden als Driver der Ã-konomie überhaupt aber übersehen.
Auch für mich kam der"Staat" erst später, sozusagen als Virus, der sich austoben darf, um dann wg. nachgewiesener Inkompetenz wieder zu verschwinden. Gold als"Privatgeld" und"real money" usw. war für mich eh klar. Du hast meinen Goldaufwertungstext in Deiner"Geldfalle" dankenswerterweise nachgedruckt.
Formal stimmt das nach wie vor. Aber die kleine"Formalie" selbst, nämlich Rückkehr zu einer Gold-Parität kann nur die Macht veranstalten, niemals die private Wirtschaft. Nun zwing mal eine neue Parität herbei...
Je länger es dauert, umso unwahrscheinlicher wird es. Eine Goldaufwertung auf > 20.000 $ /oz. und das über Nacht ist einfach nicht mehr drin und alles andere wäre Flickschusterei.
Bei der Überarbeitung des Ganzen, was wir"erklärte" Wirtschaft nennen, bekenne ich kleinlaut: Ich habe mich geirrt. Eine Erklärung des Wirtschaftens aus einem rundum privaten, friedlich-freien Ambiente heraus, bei dem als Pfeiler Existenzdruck, Überschuldungsangst und Vollstreckung allein tragen, war dann doch zu mager, wenn auch in sich nicht falsch.
Mit der Geldentstehung aus dem"Opfer" (copyright Bernhard Laum) war ich schon nah dran, aber den dicksten Baum im Wald (Geld = Abgabengeld, Zins ="Preis" für Abgabengeld-Beschaffung) habe ich vor lauter Wald halt nicht gesehen. Darauf haben mich erst Oswald ("Zeit - Krieg - Wert") sowie der hartnäckige Dimi gebracht ("Wie kann ein Gläubiger zum Schuldenmachen zwingen?").
Der Driver also sind nicht die Rückzahlungsverpflichtungen, die sich allmählich verbreitert in der Privatwirtschaft ergeben und dann ihre historische"Eigendynamik" entfalten ("Debitismus"), sondern es sind Zahlungsverpflichtungen.
Rückzahlungen entstehen"innen", aber erst das"von außen", die Zahlungen lässt ein"innen" überhaupt entstehen. Nicht der erste Kaufmann, Händler, Tauschende usw. stehen am Anfang, sondern der erste Macht ausübende Herrscher.
Die"causa prima" ist die Zahlung, und Zahlungen, die keine Rückzahlungen sind, kann nur die Macht erzwingen. Zahlung in was auch immer, je nach Gusto"außen" oder"oben".
Die dies belegenden Dokumente sind absolut eindeutig. Nehmen wir die ältesten Wirtschaftsdokumente aus Mesopotamien, 3000 Jahre v. Chr. Dort entwickelt sich eine perfekte Buchhaltung, indes ist es keine private, sondern eine herrschaftliche Buchhaltung. Die Schrift ist noch nicht mal ausgebildet, sondern es werden Kreise, Striche, Bögen, usw. eingeritzt, die jeweils für konkrete Mengen in konkreten Gütern stehen.
Das Ganze ist eine Soll-Ist-Kontrolle für die Herrscher. Da muss auch nichts"geschrieben" werden, was bei einer privaten Schuldurkunde unabdingbar ist (Gläubiger muss benannt sein, Schuldner, Schuldgrund, Schuldsumme oder -menge, Termine, usw.). Es müssten aus der"allerersten" Zeit solche Dokumente in Massen erhalten sein, indes, was wir als"Privatkontrakte" haben, ist unbezweifelbar viel später (Keilschrift statt Symbolschrift).
Was braucht der Herrscher? Er muss sich nicht groß als Gläubiger vorstellen, den Schuldgrund muss er auch nicht nennen, der Termin ergibt sich aus dem Kalender (daher die großartigen"Observatorien"), falls der verpennt wurde, rückt er an. Er muss nur aufschreiben: Menge / Summe und fertig.
Es wird in diesen Dokumenten nicht ein"Geliehenes" einem"Zurückgegebenen" gegenüber gestellt, sondern ein"zu Leistendes" einem"Geleisteten". Die"Arbeitsteilung", die dort Statt findet, ist zunächst die zwischen Herrscher und Aufseher. Dann zwischen Aufseher (z.B. über den zu erntenden Weizen) und Aufseher (z.B. dem über das zu mahlende Mehl).
Hätte Handel Statt gefunden, hätte der Weizen-Mann an den Mehl-Mann verkauft. Doch davon nirgends eine Spur.
Dem Aufseher sind Menschen unterstellt, deren mögliche Abeitsleistung bis ins Detail mit ihrer tatsächlichen verglichen wird. Ausdrücklich ist von"Arbeitertagen" die Rede. Die ArbeiterInnen hatten sogar ein Sechstel ihrer Zeit frei. Länge des Tages = Sonnenauf- bis -untergang. Also rund zwei Stunden Auszeit.
Wie kommt es nun in dieser klassischen Zentralverwaltungswirtschaft zu Schuld und Zins?
Dreh- und Angelpunkt ist der Aufseher, der Rechnung legen muss.
Ein detailliert beschriebenes Beispiel (Nissen, S. 89, Fettungen von mir):
"Die abschließende 'Bilanz' verzeichnet... einen Fehlbetrag von 7.420 1/6 Arbeiterinnentage, der als Restverpflichtung in das folgende Jahr übertragen wurde.
Aus anderen Texten wissen wir, welche ernsten Konsequenzen solch eine lückenlose Überwachung der anwachsenden Fehlbeträge für den Aufseher und seinen Haushalt mit sich brachten. Die Fehlbeträge mussten offenbar um jeden Preis beglichen werden.
Verstarb ein Aufseher, so wurde sein Nachlass herangezogen, die Schuld zu tilgen. Das bedeutete in der Regel, dass die verbleibenden Haushaltsmitglieder selbst in die staatlichen Abeitertrupps eingegliedert wurden, die die von den Aufsehern überwachten Arbeiten zu verrichten hatten."
Damit ist alles in der Welt, was wir brauchen: Die Schuld und der"Preis", sie unbedingt zu entrichten, sprich der Zins, den der schuldende Aufseher beschaffen muss, um wieder pari zu landen. Alternative: Schuldknechtschaft.
Bei Schuldknechtschaft (Verpfändung der Familie) steht diese wiederum weder sich selbst noch dem Familienchef zur Verfügung. Denn das, was sie vorher für sich selber leisten konnte, hat sie jetzt komplett für den Herrscher zu leisten.
Der säumige Aufseher musste also handeln. Er stand endlich unter jenem Zwang, nach dem die Ã-konomie so lange vergeblich gesucht hat. Der Aufseher hat gewiss alles getan, um seine Mannschaft auf Vordermann zu bringen. Wenn es dennoch nicht reichte, und man war nicht zimperlich, musste er die besagten Konsequenzen tragen oder sich von anderen Aufsehern das geschuldete Ist beschaffen.
Dieses gab es natürlich nicht umsonst. Der andere Aufseher musste nicht nur selber Bilanz legen, sondern er verbuchte nicht minder pingelig. Half er dem ersten, musste er Sonderschichten fahren und wie eh und je werden solche Sonderschichten mit einem Aufschlag entlohnt.
Dieser Aufschlag ist das so krampfhaft gesuchte"Mehr", alias der Zins, der sich dann von der Abgabe dann löst, die ihrerseits auch"Zins" ist - eben Abgabe von Arbeitsleistung, ohne das Geleistete für sich zu haben, weshalb die sog."Musterungstexte" (ibid.) über regelmäßig in großer Zahl entflohener Arbeiter berichten:
"Man kann sich angesichts der totalen Überwachung aller Leistungen der Trupps, in die sie eingegliedert waren, die Gründe leicht ausmalen."
Die Zinsentstehung setzt also auch dort wieder eine Zwangsabgabe voraus (Soll-Produktion). Wird das Soll unterschritten, muss es ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich ist, wonach wir suchten.
Zum Privateer später. Zunächst Danke!
Und Gruß!
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