- John Law und ‚Islamisches Wirtschaften’ - Popeye, 31.05.2004, 12:34
- Re: John Law und ‚Islamisches Wirtschaften’ - CRASH_GURU, 31.05.2004, 15:46
- Re: Liegen bei Law alle Verleiher auf dem Totenbett? Vom Zinnßes-Zins - dottore, 31.05.2004, 18:23
- Re: Warum immer so ausschlieslich? - R.Deutsch, 31.05.2004, 21:36
Re: Liegen bei Law alle Verleiher auf dem Totenbett? Vom Zinnßes-Zins
-->Hi Popeye,
dazu muss ich doch was loswerden, da der m.E. gänzlich falsche Gedanke, dass es"Geld" (egal auf welchem Träger es marschiert) ohne Staat geben könne oder jemals ohne Staat gegeben hätte, wobei sich ganz unbezweifelbar jedes Geld aus einem Abgabengut entwickelt hat (in Mesopotamien konnte auch im Abgabengut Gerste"Zahlung" geleistet werden, man erinnere sich an den berühmten Fall der Schankwirtin, die ertränkt würde, falls sie auf Silber statt auf Gerste als Zahlung bestehen sollte; dies diente dazu, die Silber/Gerste-Arbitrage nicht zu Ungunsten des Schuldners aus dem Bierkonsum-Vertrag, etwa in der Erntezeit zu verhindern).
Die Abgabenschuld ist ebenfalls unbezweifelbar die erste Schuld und diese ist keinesfalls kontraktlich (schon gar nicht per"Gesellschaftsvertrag"), sondern eine Schuld ex nihilo. Festgesetzt per coercive power, also mit Hilfe des bewaffneten Zwangs, wobei das Erzwingungswaffen-Monopol (Gewaltmonopol) beim jeweiligen Staat liegt - als unübersehbares Zeichen seiner"Souveränität" (sovereign = Herrscher).
>In John Laws vier Rechtfertigungsbriefen(*) über das ‚Neue System der Finanzen’ findet sich im ersten Brief folgender Gedanke:
>„Nun gibt es indessen kein sichereres Warnsignal in einem Staat, der nicht gerade wohlhabend ist und der zum Elend neigt, als teures Geld.
Petitio principii! Der Staat wird ohne weitere Begründung vorausgesetzt. Dass er automatisch in Zahlungsprobleme kommt (teures Geld = seltenes Geld) liegt an seinem unlösbaren Vorfinanzierungsproblem. Erst muss es den Staat geben und er finanziert sein, bevor er in dem Areal, für das er"Sicherheit", Vollstreckung usw. gewährleistet, jene abkassieren kann, die überhaupt erst wirtschaften (und ergo etwas Abkassierbares bereit halten können, nachdem es Sicherheit, Vollstreckung usw. gibt.
>Es wäre wünschenswert, dass man es [das Geld] immer für nichts leihen könnte
Demnach entfiele jede Steuerpflicht und damit jeder Staat per se. Denn sobald eine Steuerrechnungkommt, leihe ich mir Geld"für nichts" und falls der Geldleiher kommt, um es wieder zu haben, leihe ich es mir von einem anderen erneut"für nichts". Der zinslose, tilgungsfreie Kredit ist und bleibt ein Geschenk.
>oder mit der einzigen Maßgabe, mit dem Verleiher den Profit teilen zu müssen, der daraus erzielt wird.
Und wenn der Leihnehmer nicht teilen will? Wozu sollte er auch? Oder gibt es Profitverteilungskontrakte? Dann muss wiederum gezwungen werden, was wiederum den Staat voraussetzt. Und dies wiederum Steuern usw., die ich mir aber schenken kann, da ich mir das Geld dazu"für nichts" beschaffen kann.
>Dies wäre ein Handel, den jedermann machen könnte, ohne Kaufmann zu sein, das wäre auch die einzige Form, Geld zu verleihen, die weder dem Verleiher noch dem Borger schaden würde.“ (John Law, Handel Geld und Banken, Berlin, 1992, S. 259)
Die übliche Verwechslung von"einem" mit"allen". Es muss dem einzelnen Verleiher nicht schaden, wenn dieser niemals mehr Fälligkeiten zu erwarten hat. In der Regel wäre das die Todesstunde und dies nachdem er alle Fälligkeiten, die mit seinem Hinschied noch daherkommen, vorab erledigt hat. Dann kann er tatsächlich sein Geld komplett verschenken.
Aber es schadet der Gesamtheit aller Verleiher - es sei denn alle potenziellen Verleiher liegen sämtlich auf der Sterbe-Station und haben keinerlei Fälligkeiten mehr zu befürchten.
>Aus dem Zusammenhang heraus bleibt unklar, was Law zu dieser Aussage veranlasst hat. Zwar geißelt Law in diesem Textabschnitt die Bezieher von Leibrenten (rentes constituées)(**) als faul und eigensüchtig,
Die Leibrenten hatte man sich in der Regel direkt vom Staat gekauft, war ergo vor dem Kauf nicht faul, da er das dazu benötigte Geld kaum irgendwo gefunden hat, sofern sie nicht vom Staat als"Pensionen" gegen andere Formen der Gegenleistung ausgesetzt waren. Bei Leibrenten tritt eine Adresse, die ihre gesamten Einnahmen mit Hilfe von Zwang an sich ziehen kann, später erzwingbare Einnahmen ab, wobei die Gesamtheit jener, die gezwungen werden können, die entsprechenden Zwangsausgaben bei sich (= Zwangseinnahmen des Staates) zu leisten haben, einschließlich der Leibrentner - was sich aktuell heute bei der Leibrentenproblematik ("Rentenversicherung" - die Renten verfallen mit dem Tode spätestens der Witwe/des Witwers) bestens zeigt.
Stichwort:"Besteuerung der Renten", was bei einer 100-%-Rentenbesteuerung bedeuten würde, dass den Rentnern die Renten nur kurz gezeigt, aber nicht gezahlt werden.
>lobt jedoch gleichzeitig jene Kreditgeber, die Kredite an Handel oder Gewerbe geben. Vielleicht war die Bemerkung einfach so dahin geschrieben, vielleicht richtete sie sich gegen arbeitsloses Einkommen aus den Leibrenten
Alle Renten sind per definitionem arbeitslose Einkommen im Zeitraum des Rentenbezuges.
>oder es war einfach nur eine späte Verbeugung vor dem Zinsverbot des Mittelalters.
Das eher nicht, da sich das Zinsverbot niemals auf den"Zinnß" bezogen hatte, den der Staat als Steuern kassiert. Um Leibrenten zu bezahlen, muss der Staat Steuern kassieren. Ohne Steuern (Zinnß) kein Geld (worin sie sonst bezahlen?), ohne Geld keine Steuern. Und Geld, das niemals Termin oder Fälligkeit hat, ist nicht"Geld", sondern ein Nullum.
Dass zum Steuertermin Geld"fehlt", ist daher nicht ungewöhnlich. Und dass derjenige, der das benötigte Geld seinerseits gegen"Zins" (korrekt: "Zinnßes-Zins") an denjenigen verleiht, der die Sanktion bei Nichtzahlung der Stauer vermeiden will, ist einwandfrei. Nicht dem"Zins"-Nehmer wäre ein Vorwurf zu machen, sondern dem"Zinnß-Nehmer". Ohne Abgabe, Steuer, Staat ist das, was heute landläufig und unreflektiert als"Zins" bezeichnet wird weder vorstell- noch gar realisier-, also kassierbar. Es gäbe ihn schlicht nicht.
>Sei dem wie es sei, vom Meister des Kreditgeldes selbst eine solche Bemerkung zu finden, die es als wünschenswert erachtet, die temporäre Hergabe von Kapital nicht durch Zins, sondern durch einen Anteil am Gewinn zu entlohnen, ist schon bemerkenswert.
Das Inkasso des Gewinnanteils setzt bereits den Staat und ergo den Zinnß voraus, sieh eben. Kein Mensch käme auf die Idee, einen ihm völlig fremden Anderen"freiwillig" zu"entlohnen". Der Meister des Kreditgeldes hat innerfamiliäre Zahlungen ("Haushaltsgeld","Taschengeld") mit der Realität des Kapitalmarkts verwechselt. Und dass der aus einer"großen Familie" oder einem"Stamm" besteht und ergo jeder mit jedem teilt, ist falsch.
>Fängt man nun an über den Vorschlag des ‚islamischen Wirtschaftens' nachzudenken, wird schnell klar, dass einige unserer, zur lieben Gewohnheit gewordenen Finanzierungsgeschäfte, mangels ‚Profit’ keine Kreditgeber, besser - keine Finanzierungspartner mehr finden würden. Alle konsumtiven Ausgaben, selbst das eigene Häuschen, könnten - mangels Profit - nur durch selbst Angespartes finanziert werden.
>Wäre das so schlecht?
Alle Ausgaben, egal von wem, münden im Konsum, früher oder später. Selbst eine Fehlinvestition ist Konsum - desjenigen, der sie getätigt hat.
>Wie sähe es beim Staat aus? Macht er Profit? Schwer vorstellbar sofern man nicht die heutige Kreditaufnahme als ursächlich für höhere Steuereinnahmen (= Profit) in der Zukunft betrachtet.
Also macht er doch Profit?
>Also auch für den Staat keine Kreditgeber (Finanzierungspartner) mehr.
>Wäre das so schlecht?
Sofern der Staat seine Kosten nicht externalisieren kann (Beute, Tribut von Fremdpopulationen o.ä.), muss er sich verschulden (können) oder er geht sofort unter. Das einzig Interessante dabei: Kann er sich extern verschulden oder nicht?
>Wie sieht es bei den Banken aus? Statt Forderungen hätten die Banken nun Beteiligungen auf der Aktivseite.
Und wie kommen sie an die Erträge daraus? Bringen Beteiligungen keine Erträge (auch nicht vergleichbare Beteiligungen), sind sie wertlos. Auch ungenutzte Grundstücke lassen sich nur bewerten, wenn sie als Grundstücke selbst besichert und damit dem Zugriff durch jedermann als"res nullius" entzogen sind.
>Naturgemäß ist die Rendite einer Beteiligung vorab schwerer prognostizierbar als die eines mit Pfand unterlegten Kredites mit festem Zinssatz. Entsprechend höher müsste das Eigenkapital der Banken sein. Auch die Einlagen in der Bankbilanz änderten ihre Natur. Kunden-Einlagen erfolgen nur gegen einen Anteil am Gewinn der Bank und müssen evtl. sogar für Verluste haften.
Dieser Gedanke führt m.E. in eine bessere Richtung. Es darf nicht bei der Haftung für Verluste bleiben und dies dann bis zur Höhe der Einlage, sondern es müssten Einlagen (de facto Kapitalanteile) mit Nachschusspflicht sein, wie bei Kuxen. Die Nachschusspflicht könnte ausschlagbar gestaltet sein (weniger gut) oder nicht ausschlagbar (besser), womit dann die Haftung des Einlegers auch das Eigentum an sich selbst beinhalten müsste. Wer das vermeiden will, legt nichts ein und beteiligt sich nirgends.
>Sind diese Beteiligungen bei der Zentralbank refinanzierbar dann nur mit einem erheblichen Sicherheitsabschlag.
>Wäre das so schlecht?
Logischerweise müsste dann auch die ZB mit Nachschusspflicht operieren, die ihrerseits bis in jeden ZB-Mitarbeiter durchschlagen müsste (gesamtschuldnerische Haftung ohne Haftungsbegrenzung). Wieso eine ZB in irgendeiner Form privilegieren?
>Bleibt der gewerbliche Kredit. Ähnlich einer Stillen Gesellschaft würde nun also der Unternehmer Kapital gegen die Abtretung eines Gewinnanteils erhalten. Mitspracherechte, Tilgung, Haftung der Kapitaleinlage ebenso wie die Höhe des Gewinnanteils wären im Einzelfall gestaltbar so wie bei einer Stillen Beteiligung auch.
>Wäre das so schlecht?
Die Beteiligung wäre sofort still und das für immer, wenn es nicht die bekannten Vollstreckungsinstanzen (Staat) gäbe und mit ihnen die unlösbaren Vorfinanzierungsprobleme.
>Zugegeben, es ist schwer sich eine Wirtschaft vorzustellen, die auf das Instrument des Kredites verzichtet und Kapital nur gegen einen Gewinnanteil bereitstellt.
Die kann man sich gut vorstellen. Die hat es auch in Formen der mesopotamischen Wirtschaft gegeben, ebenso bei frühen Schiffahrtsgesellschaften, Bergwerken, Steuerpächtergesellschaften, Versicherungen (Lloyds in etwa mit den"names" bis heute), usw. Am Besicherungs- und Vollstreckungs- und ergo Staatsproblem führte allerdings nirgends ein Weg vorbei.
>Aber ich kann keine grundsätzlichen Nachteile sehen, die ein Funktionieren verhindern würden. Zusätzlich entfiele der klassische Konflikt zwischen Fremd- und Eigenkapitalgeber und alle Kapitalgeber eines Unternehmens würden an einem Strang ziehen.
Gewiss, nur ohne Staat kein Strang (in jeder Hinsicht).
>Oder gilt doch was Paul C. Martin sagt: Schulden + Zeit = Kapitalismus und der Wegfall des Kredites würde auch das Wirtschaftssystem ändern?
Der Wegfall des Kredits würde zuerst den Staat erledigen und ohne Staat sind Schulden nicht definierbar, da ihnen die unabdingbaren Bestandteile Termin, Vollstreckung und Sanktion fehlen.
Der Kapitalismus ist ein Staats-Bastard. Diese zusätzliche, allerdings auch entscheidende Erkenntnis konnte der Autor dank vieler Diskussionen auch im Forum hier dankenswerterweise gewinnen.
Pfingstgrüße herzlich erwidernd!
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>Fußnoten
>(*) Zu Beginn des Jahres 1720 (also kurz vor dem Zusammenbruch des ‚Systems’) erschien dieser Briefwechsel (bestehend aus insgesamt vier Briefen) in einer französischen Zeitschrift, dem ‚Mercure de France’. Es handelt sich um einen fiktiven Briefwechsel, zwischen einem anonymen Befürworter des ‚Systems’ und einer (ebenfalls anonymen) durch Laws ‚System’ betroffenen und besorgten Persönlichkeit. Diesen fiktiven Briefwechsel hat Law selbst verfasst. [Quellen: Daire, E, 1843 Harsin, P., 1934]
Die Briefe gibt es auch in separat gedruckter Form. Ich selbst hatte zwei (oder drei?) davon gehabt und an den Sammler L. (ehemals Direktor Deutsche Bank) verkauft, aus dessen Sammlung die Faksimile gefertigt wurden, die der Handelsblatt-Verlag veröffentlicht hat.
>(**) Im Gefolge der spanischen Erbfolgekriege und um die Zeit des Tod Ludwig des XIV durchlebte Frankreich eine schwere Wirtschaftskrise; Vauban (1707) hat dies u.a. eindrucksvoll beschrieben.
Seine Schrift zum"Dime Royale" (quasi eine allgemeine 10-%-Steuer für jedermann) habe ich wenigstens noch.
>Der Aufwand für die Eintreibung der Steuern belief sich auf 50 Prozent der Steuereinnahmen und diese reichten gerade mal aus um Zinsen und Tilgung der öffentlichen Verschuldung zu bezahlen.
Getilgt wurde nichts - jedenfalls nicht im Sinne einer Minderung der Staatsverschuldung.
>Korruption war gang und gäbe.
Je mehr Staat, desto mehr Korruption. Wie immer.
>Einträgliche öffentliche Ämter wurden gegen Leibrenten verkauft.
Als (?) Leibrenten? Fast alle Ämter waren seit jeher käuflich, gelegentlich auch gegen Leibrenten-Briefe. Heute zahlt sogar der Steuerzahler via"Parteienfinanzierung" dafür. Leibrenten (Rentes viagères) wurden grundsätzlich nur gegen Cash ausgefertigt, siehe oben.
Nochmals Gruß!
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