- @dottore: Replik auf Ihr"Brakteatenmärchen der Freiwirte" vom Sommer 2000 - HoeRu, 15.01.2001, 16:55
- Re: @dottore: Replik auf Ihr"Brakteatenmärchen der Freiwirte" vom Sommer 2000 - dottore, 15.01.2001, 23:43
- Re: @dottore: Erste Duplik schon eingetroffen! - dottore, 16.01.2001, 17:13
- Re: @dottore: Replik auf Ihr"Brakteatenmärchen der Freiwirte" vom Sommer 2000 - dottore, 15.01.2001, 23:43
Re: @dottore: Erste Duplik schon eingetroffen!
>>Unter der Adresse
>>http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/replik.htm
>>findet sich eine umfangreiche Antwort auf einen Text mit
>>Titel"Brakteatenmaerchen der Freiwirte", welchen dottore
>>im Sommer 2000 hier ins Forum stellte...
>>(jaja, bei den Freiwirten dauerts immer etwas laenger, bis
>>sie ans Ziel kommen...)
>Vielen Dank für den Hinweis!
>Ich kriege die Seite aber nicht hin. Vermutlich ist die FU überlastet. Ich komme aber auf jeden Fall darauf zurück. Was ich bisher gelesen habe (ein paar Zeilen) ist es sicher nicht, was das Brakteaten-Märlein belegen würde.
>Vor allem passt schon die Gotik überhaupt nicht mit der Brakteatenzeit zusammen. Für die sog. Romanik könnte neu nachgedacht werden. Aber in der Gotik ist nichts fertig geworden - warum bloß? Wenn man die Brakteaten als Zaubermittel hatte, hätte es doch weitergehn könne. Aber Köln? Ruine. Paris? Keine Türme. Ulm? Turm nicht hochgezogen, usw.
>Und dann natürlich England. Englische Brakteaten? Davon künden weder BM noch die größten Sammlungen nichts.
>Aber offenbar hat sich Herr Roehrig große Mühe gegeben und er hat Anspruch auf eine sorgfältige Antwort.
>Besten Gruß
>d.
Hab ichs nicht gesagt?
Eine erste Antwort ist schon auf dem Links eingetroffen. Diese:
Geschrieben von Rondone am 16. Januar 2001 16:38:47:
Als Antwort auf: 300 Jahre Hochkonjunktur durch geschrieben von Mr. X X X am 15. Januar 2001 22:02:27:
>Auf Geldreform.de wurde heute eine umfangreiche Studie zu den Brakteaten bzw. der"Renovatio Monetarum" veröffentlicht. Man kann wohl sagen, daß das Karl Walkers Aussagen zur Wirkung und Verbreitung der"zufälligen Umlaufsicherung" voll bestätigt worden sind!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Arbeit von Herrn Siemer ist eine ganz vorzügliche Abhandlung zum Thema Brakteaten. Dabei stört den frei an seine Quellen herangehenden Historiker nur, dass sie von einer vorgefassten Theorie ausgeht, die schon der bekannte Gesellianer Karl Walker bekanntlich auf das Mittelalter angewandt hat.
Kurz gefasst laute die Theorie (nach meiner Interpretation): Es muss alles getan werden, um zu verhindern, das Geld nicht umläuft, sondern zu Hortungen quasi mißbraucht wird. Die Folge solcher Hortungen wären allgemeine Stockung und letztlich wirtschaftlicher Niedergang.
Dabei wird von einem bereits existenten Geld ausgegangen, das in Form von Edelmetall vorhanden war. Dieses müsse nun sozusagen einen öffentlich-rechtlich verordneten „Turbolader“ bekommen. Existiert dieser Geld-Turbo, läuft das Geld schneller um und kann so seine segensreiche Wirkung entfalten.
Dabei ergibt sich aber eine Reihe von Fragen, die noch beantwortet werden müssen:
1. Wie kommt es zu existentem Geld? Vor der Brakteatenzeit hat es solches unstreitig gegeben, auch in Form von Edelmetall. Das Metall der Brakteaten unterschied sich in nichts (von eventuellen Änderungen im Feingehalt hier der Einfachheit halber abgesehen) von dem Vor-Brakteaten-Geld. Edelmetall muss aber gefördert werden. Die Förderung bedingt kostspielige Investitionen (jeder Bergbau ist extrem kapitalintensiv), die ihrerseits aber nicht mit dem Metallgeld bezahlt werden konnten, da das dazu benötigte Metall erst noch gefördert werden sollte. Wie wurde also der Bergbau finanziert und zwar in der Vor-Brakteaten und in der Brakteatenzeit? Oder gab es in der Brakteatenzeit keinen nennenswerten Bergbau, wofür sprechen könnte, dass die Brakteaten schließlich zur dünnstmöglichen Form eines Edelmetallgeldes mutierten.
2. Warum wurde in der Brakteatenzeit überhaupt mit Edelmetallgeld gearbeitet? Die Herrscher hätten auch jedes andere Material nehmen können, um eine umlaufgesicherte Währung einzuführen. Es gab zu dieser Zeit m.W. Ledergeld in Russland (die Urform des Rubel) und in Südosteuropa.
3. Der Bezug auf das Mittelalter als einer Zeit der „Hochblüte“ wie sie auch beim Weitkamp beschrieben wird, erscheint riskant. Immerhin gab es vor der Hoch-Zeit der Brakeaten eine rege Bautätigkeit, man denke nur an Köln: dem rd. einem Dutzend romanischer Kirchen steht nur der eine gotische Dom gegenüber, dessen Bau überdies abgebrochen werden musste. Warum endete dort demnach die Brakteatenzeit und wodurch?
4. Welche Rolle spielten in der Brakteatenzeit die damaligen Verbindlichkeiten? Mir erscheinen die Brakteaten weniger darauf gerichtet gewesen zu sein, als Geld-Turbo zu dienen, sozusagen eingeführt in weiser staatsmännischer Voraussicht, sondern eher darauf, die Last der Schuldner zu erleichtern. Mit Geld, das sich automatisch (in der Reihe der „Renovationes monetarum“) selbst entwertete, lassen sich Schulden leichter zurückzahlen. Die größten Schuldner waren zweifellos auch jene „hohen Herren“ wie der Magdeburger Erzbischof Wichmann, der sich als Brakteaten-Profi erwiesen hat. Kann es sein, dass Wichmann seine Geldpolitik dazu benutzt hat, um sich permanent selbst zu entschulden?
5. Wie ist das überhaupt mit solchen Verbindlichkeiten in der Brakteatenzeit gewesen? Wer hat wohl noch Geld verliehen (und sei es in Form von Brakteaten), wenn er in regelmäßigem Turnus enteignet wurde? Gerade die großen Bauwerke der Brakteatenzeit können ja unmöglich jeweils bar bezahlt worden sein. Sie wurden zweifellos „vorfinanziert“ und die Inhaber der kirchlichen Rechte hofften dann, aus den Kollekten die Summen wieder „einzuspielen“. Hinzu kommen viele kriegerische Auseinandersetzungen. Es gibt in der Geschichte keine Kriege, die nicht mit Hilfe von Schulden finanziert wurden. Dienten die Brakteaten auch dem Zweck, diese Schuldenlasten permanent zu minimieren?
6. Erhöht man die Geldumlaufgeschwindigkeit, was bei den Brakteaten offenbar der Fall gewesen sein muss, dann stellt sich nach der bekannten Quantitätstheorie des Geldes innerhalb kürzester Zeit eine Inflation ein. Nehmen wir an, unsere heutigen Banknoten würden alle Jahre „verrufen“ (oder auch bei einem Regierungswechsel oder sogar mehrmals im Jahr wie bei Wichmann und offenbar einigen englischen Königen) und würden diese Banknoten dann durch eine geringere Notensumme ersetzt (wer 100 Mark abliefert, erhält nur 90 in neuem Geld zurück), dann würde jedermann sofort seine Banknoten loszuwerden trachten. Dies würde zu einem ununterbrochenen Kaufkraftstoß führen, der sich in steigenden Preisen niederschlüge. Wie steht es um die Zahlen für die Preise und ihre Entwicklung in der Brakteatenzeit?
7. Die Brakteaten, hier: die ständig in den „Renovationes monetarum“ verrufenen Brakteaten, sollen darauf gezielt haben, Hortungen zu verhindern bzw. vorhandene Horte aufzulösen. Das leuchtet unschwer ein, wie jedem einleuchten muss, im nächsten Jahr seine D-Mark-Bargeldbestände in Euro zu wechseln, da das D-Mark-Geld (Banknoten und Münzen) wenig später wertlos wird. Warum aber ist es damals überhaupt zu Hortungen gekommen? Zum einen muss es Geld gewesen sein, das gehortet wurde (Sparkassen und Banken gab es wohl kaum), das die Betreffenden sich für schlechte Zeiten oder fürs Alter aufgehoben haben. Wie sorgten denn die Menschen in der Brakeatenzeit für ihr Alter vor? Zum anderen kann es Geld gewesen sein, das man aufbewahrte, weil es dafür keine aktuelle Verwendung gab (jemand hatte eine Kuh oder einen Acker verkauft und überlegte nun, wie er mit dem Erlös seine Lebenshaltung für die nächsten Monate bestreiten konnte; hätte er die benötigten Lebensmittel sofort gekauft, wären sie ihm vermutlich schnell verdorben). Zum dritten kann es „spekulatives“ Geld gewesen sein: Die Menschen rechneten mit einem permanenten Preisverfall und hielten sich mit (verschiebbaren) Anschaffungen aller Art zurück, weil die Anschaffungen „später“ preiswerter gewesen wären. Kann als ein Positivum ausgelegt werden, die Menschen daran zu hindern, für die Zukunft vorzusorgen bzw. nicht aktuelle Kaufakte hinauszuziehen? Ist es nicht vielmehr so, dass die „Münzverrufe“ eine menschenverachtende Politik gewesen sind?
8. In Italien, vor allem in Oberitalien, das mir bestens vertraut ist, gab es ausweislich der Schrift von Herrn Siemer keine Brakteaten. Dieser Raum war jedoch in der fraglichen Zeit nicht nur das wirtschaftliche Zentrum Europas, sondern es verfügt auch über die mit Abstand meisten kulturellen Spitzenleistungen, für die anderswo die Brakteaten ursächlich gewesen sein sollen. Wie ist dann die italienische"Hochblüte" des Mittelalters zu interpretieren? Was war deren treibende Kraft?
Die Arbeit von Herrn Siemer beantwortet leider diese Fragen nicht. Vor allem geht er im Gefolge der Gesell-Walker-Weitkamp’schen Weltsicht davon aus, dass sich die Menschen mit ihren freien und freiwilligen Entscheidungen keinen Gefallen tun (zumindest keinen „kulturellen“). Die Münzverrufe waren zweifellos ein hoheitlicher Willkürakt.
Selbst wenn wir davon ausgehen, dass sie dazu beigetragen haben, eine „Hochkultur“ zu schaffen, so waren sie doch in Tat und Wahrheit staatlicher und menchenverachtender Zwang. Das System erinnert an die heutigen Kultursubventionen: Nur weil er extrem subventioniert wird, gibt es einen deutschen Film. Ein Plaz für eine Vorstellung in der Oper kostet bis zu 500 Mark, was aber kein Mensch freiwillig bezahlt. Es wird der Steuerzahler au dem Wege über Zwangsabgaben dazu gezwungen, die Kultur zu subventionieren.
Hinzu kommt: Wenn das Brakteatensystem tatsächlich die kulturelle Hochblüte des Mittelalters bewerkstelligt hat - wer hat die Menschen gefragt, ob sie wirklich lieber gigantische Dome mit ihren, ihnen möglicherweise völlig fremden religiösen Vorstellungen (Christentum!) finanzieren wollten als sich selbst ein Haus zu bauen oder Land, Saatgut und Geräte zur Bestellung einer Ackerwirtschaft zu kaufen oder sich etwa mit dem Geld aus einer Leibeigenschaft frei zu kaufen oder als Handwerker selbständig zu machen?
Ist das so hoch gelobte Brakteatensystem wirklich ein humanes System gewesen? Und wenn es hier schon als Vorbild hin gestellt wird, wie sollte bei einer „Neuauflage“ eines solchen Geldsystems dafür gesorgt sein, dass gerade die Schwachen und Hilflosen, voran die Kinder und die Älteren, nicht unter die Räder kommen?
Darauf hätte ich gern bei Gelegenheit ebenfalls eine Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Dott. Gianni Rondone
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