- @ Alle! Ich erbitte Antworten auf diese Fragen / 2. Wiederholung - dottore, 29.03.2001, 12:07
- Re: @ Alle! Ich erbitte Antworten auf diese Fragen / 2. Wiederholung - Zet, 29.03.2001, 12:45
- Re: @ Alle! Ich erbitte Antworten auf diese Fragen / 2. Wiederholung - Ecki1, 29.03.2001, 12:57
- Tassie Devil is working on it too - oT (owT) - Tassie Devil, 29.03.2001, 20:58
- Re: @ Alle! Ich erbitte Antworten auf diese Fragen / 2. Wiederholung - Ecki1, 29.03.2001, 12:57
- Re: Baldurs Antwortansatz ohne Gewähr und mit Lücken, 1.1 - 7.20 - Baldur der Ketzer, 29.03.2001, 20:24
- Arm und Reich - Gedanken zu dottores Fragen - Simplici, 29.03.2001, 21:44
- Re: Arm und Reich - Gedanken zu dottores Fragen - Super Gedanken! - nereus, 29.03.2001, 21:59
- Re: Baldurs Antwortansatz Teil 2 - Baldur der Ketzer, 29.03.2001, 21:48
- Das ist mein Stand: Antworten auf dottores Katalog - Caspar, 30.03.2001, 00:22
- Re: kurzer Zwischenruf: Rohrkrepirus maximus!!! - Baldur der Ketzer, 30.03.2001, 00:31
- Re: Rohrkrepirus maximus - Also bitte, lieber Ketzer... - Caspar, 31.03.2001, 02:06
- Re: Rohrkrepirus maximus - Also bitte, lieber Ketzer... Immo-Sicherung - Baldur der Ketzer, 31.03.2001, 20:13
- Re: Rohrkrepirus maximus - Also bitte, lieber Ketzer... - Caspar, 31.03.2001, 02:06
- Re: kurzer Zwischenruf: Rohrkrepirus maximus!!! - Baldur der Ketzer, 30.03.2001, 00:31
- Re: @ Alle! Antwort von Oldy - Oldy, 30.03.2001, 07:51
- Re: @ Alle! Ich erbitte Antworten auf diese Fragen / 2. Wiederholung - JüKü, 30.03.2001, 11:28
- Dottores Hausaufgaben - mal ein Anfang - R.Deutsch, 30.03.2001, 20:40
- Re: @ Alle! Ich erbitte Antworten auf diese Fragen / 2. Wiederholung - Zet, 29.03.2001, 12:45
Arm und Reich - Gedanken zu dottores Fragen
Lieber dottore,
herzlichen Dank für Deine Fragen. Es sind schwierige Fragen, deshalb wundert es nicht, daß die Antworten bislang noch nicht sehr zahlreich waren. So hab´ bitte ein wenig Geduld mit uns. Gleichzeitig sind es sehr wichtige Fragen, denn sie führen zu Kernaspekten der angesprochenen Themenbereiche. Deshalb ist es wichtig und richtig mit der Strenge eines unnachgibigen Lehrers auf unseren Antworten zu bestehen. Ich will heute meinen Beitrag leisten und Gedanken zum 13. Punkt Arm und Reich"zu Papier" bringen.
> 13.1 Wie kommt es zur Ausbildung von Arm und Reich?
Ausgangspunkt dürfte das nicht aus der Welt zu schaffende Faktum sein, daß Menschen unterschiedlich groß, begabt, pfiffig und fleißig sind. Ihr Drang nach Wissen, Macht, Einfluß, Wohlstand, Luxus etc. ist damit unterschiedlich und wird es immer bleiben. So kommt es auch bei gleichen Ausgangspositionen über kurz oder lang zu Abweichungen. Sie können (müssen aber nicht) verstärkt werden durch Einflüsse aus der Umwelt des Menschen, die dieser beim besten Willen nicht beeinflussen kann. Da und solange Menschen verschieden schnell und gut auf gegebene Veränderungen reagieren, werden immer einige besser mit den Veränderungen zurechtkommen als andere und daraus ihre Vorteile ziehen. Sind diese Vorteile imaterieller Natur entstehen Unterschiede in der Achtung und im sozialen Status, sind sie (auch) materieller Natur bilden sich ärmere und reichere Personengruppen innerhalb der Gesellschaft aus.
> 13.2 Hat das etwas mit der Scheidung in Gläubiger und Schuldner zu tun?
Primär nicht, denn die Fähigkeit auf die Anforderungen dieser Welt zu reagieren ist für mich kein Schuldverhältnis. Die Ur-schuld des Menschen, also sein Überleben in dieser Welt irgendwie bewerkstelligen zu müssen, die trifft alle gleich hart. Hier ist also jeder gleichermaßen Schuldner. Die vorhandene Intelligenz (verstanden als Fähigkeit zur Lösung von gegebenen Problemen) ist sofern man keinen religiösen Kontext (Intelligenz als Gnadengabe eines Gottes verstanden) einführen will, unverschuldet. Sie ist einfach da, also gegeben oder sie ist es nicht. Niemand kann (schuldhaft) etwas dafür. (Es sei denn man arbeitet an dieser Stelle mit so schwammigen"Sündenböcken" wie"Natur".) Wenn es keine Schuld ist, ist diese Fähigkeit auch kein Verdienst und niemand hätte eigentlich einen Grund, sich etwas darauf einzubilden. Der einzig adäquate Umgang mit ihr ist Dankbarkeit und Demut, die sich u.a. darin äußert, andere an dem Segen dieser Fähigkeit teilhaben zu lassen, also in irgendeiner Art und Weise zum Wohl der Allgemeinheit zu wirken.
Sekundär hat es doch etwas mit einem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis zu tun, denn die Intelligenz Probleme zu lösen allein reicht nicht. Sie bedarf zusätzlich des Wissens und letzteres ist vermittelt. Die Übertragung von Wissen von einer Person auf eine andere konstruiert ein Schuldverhältnis. Ich schulde meinen Lehrern etwas (mindestens Respekt, meist aber auch eine materielle oder imaterielle Gegenleistung). Wird z.B. eine finanzielle Gegenleistung nicht vom Schüler erbracht, z.B. weil dieser noch im Kindesalter ist, sondern von einer anderen Person oder Institution (Eltern, reicher Förderer, Stiftung, Staat) treten bestehende Arm-Reich-Differenzen erschwerend hinzu. Es kommt zu Auswahlprozessen, die als Akte des menschlichen Willens zwangsläufig will-kür-lich sind. Was nicht notwendigerweise gleichzeitig bedeuten muß, daß sie auch ungerecht sind.
> 13.3 Hat das mit einem Mehr oder weniger an gehorteten Waren zu tun?
Manchmal ja, aber nicht notwendigerweise. Auf der Basis von viel Besitz (Geld- und Warenbesitz) läßt sich ein Lehrer leichter entlohnen als auf der Basis von wenig oder gar keinem Besitz. Und gleichzeitig bleibt die Möglichkeit erhalten, daß ein Lehrer sein Wissen gratis an Schüler weitergibt und dennoch willkürlich entscheidet, es dem einen zu geben und einem anderen nicht.
> 13.4 Warum hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert?
Hier sind m.E. zwei Gründe ausschlaggebend: 1) Kann es sich eine Kultur leisten, bestimmte Menschen nur dafür abzustellen, Wissen zu vermitteln (Ausbildung) bzw. zu vergrößern (Forschung) hat sie gegenüber anderen Kulturen einen Vorteil. Mit zunehmender Spezialisierung sollte sich die Kluft langfristig eher vergrößern. Aber es muß nicht zwangsläufig so kommen, denn es gibt 2) die Möglichkeit der Verweigerung und des Rückschritts. Sie ist immer wieder in der Geschichte zu beobachten. Einzelne Individuen oder ganze Völker ruhen sich auf dem erreichten aus und fallen im Vergleich zu anderen zurück. China war dem Westen lange Jahrhunderte weit voraus und fiel zurück. Der Vorsprung schmolz dahin, wurde zu einem Defizit und dieses wird augenblicklich wieder reduziert. Der Prozeß ist also ständig im Fluß und kommt prinzipiell nie an sein Ende.
> 13.5 Wie kann die Kluft verkleinert werden?
Das ist wohl die schwierigste Frage von allen. Der Evangelist Lukas und der Kommunismus haben vermutlich die radikalsten Antworten auf diese Problemstellung gegeben und beide Modelle sind gescheitert. Lukas, er schreibt für einen steinreichen Christen, wirbt dafür, die Reichen sollen Almosen geben und ihren Besitz mit den Armen teilen. Als Modell für diese freiwillige Form der Enteignung wird in der Apostelgeschichte die Jerusalemer Urgemeinde vorgestellt, die ungeschickterweise vor der erwarteten Wiederkunft des Kyrios pleite ging. Der Kommunismus östlicher Prägung versuchte es mit der zwangsweisen Form der Enteignung und ist ebenfalls gescheitert. Gescheitert sind beide an der subtilen Leistungsverweigerung der jeweils führenden Eliten.
Bleibt noch der Weg der mittelalterlichen Klöstergesellschaften und aus ihnen abgeleitet der Weg fürstbischöflich regierter Länder vor der Sekularisation. Sie versuchten einen Ausgleich zwischen den Gruppen zu bewerkstelligen ohne die Differenzen vollständig aufzulösen. Als jene Länder 1803 von der Landkarte verschwanden offenbarte sich folgendes Bild: die sozialen Differenzen innerhalb der Bevölkerung waren geringer als in den weltlichen Territorialstaaten, während die Wirtschaft/Forschung allgemein rückständiger war. Auch hier war also der Drang der Leistungsträger, vorwärts zu kommen zumindest eingeschränkt.
> 13.6 Müssen die Reichen dazu enteignet werden?
Bislang war das jedenfalls immer der Weg, der beschritten wurde.
> 13.7 Kann die Kluft zwischen Arm und Reich so groß werden, dass es zur Revolution kommt?
Wenn es auch zukünftig dabei bleibt, daß sich ohnmächtige Wut des Menschen in Gewalt entladen kann, dann kann nicht nur die Kluft so groß werden, daß es zu einer Revolution kommt, sondern dann wird es fast zwangsläufig revolutionäre Veränderungen geben. Sie haben ihre Wurzeln in der Angst eines Teils der Bevölkerung im Leben zu kurz zu kommen. Das Gefühl (mag es berechtigt sein oder nicht), keine andere Chance zu haben und der starke Wunsch, die Veränderungen schnell herbeizuführen, löst dann das revolutionäre Ereignis aus.
> 13.8 Bei welcher Größe der Kluft kommt es zu einer solchen Revolution?
Absolut läßt sich das nicht sagen. Wenn die Kluft - ob berechtigt oder nicht - subjektiv als zu groß empfunden wird, dürften die Zeichen der Zeit auf Sturm stehen.
> 13.9 Gab es in der Geschichte solche Revolutionen?
Mal ganz abgesehen davon, daß Unzufriedenheit und damit auch Revolutionen sich selten auf einen einzigen Grund reduzieren lassen und Machtinteressen immer wieder gerne mit sozialen Mänteln getarnt werden, vielleicht diese: die russische Revolution von 1905, die Ketzerkreuzzüge in Südfrankreich im Hochmittelalter. (Der Vergleich mit Franz von Assisi zeigt dann schnell wie schmal mitunter der Grad zwischen Scheiterhaufen und Heiligsprechung sein kann.)
> 13.10 Wie wurden anschließend die Armen reicher?
Einige ja, ob auch die Masse ist schwer zu sagen. In jedem Fall gab es einen Austausch: einige Arme wurden reicher und einige Reiche ärmer. Die Differenz als solche blieb in der Welt und entwickelte sich mit ungeminderter Schärfe weiter. Die Protagonisten waren halt andere. Das"Grundübel" (unterschiedliche Fähigkeiten) kann keine Revolution, keine Kirche und kein Sozialstaat aus der Welt schaffen.
> 13.11 Was ist ein"freier Mann"?
Lieber dottore es ist nicht fair auf eine Frage mit einer Gegenfrage zu antworten, aber mal ehrlich, wieviele Bücher zu diesem Thema beherbergt Dein Bücherregal? Ich vermute, es sind viele. Und ebenso zahlreich sind die Antworten. Jede Zeit, jeder Mensch gibt seine/ihre eigene. Für mich ist ein"freier Mensch", jener, der reflektiert und bewußt mit seinen"um-zu-Beziehungen" (Ich habe diesen Begriff von Reinhard Sprenger übernommen.) umgeht.
> 13.12 Was ist ein"unfreier Mann"?
Vielleicht jener, der den"um-zu-Zusammenhang" wider besseren Wissens leugnet?
> 13.13 Besteht der Unterschied zwischen"frei" und"unfrei" in etwas anderem als in dem Unterschied zwischen Gläubiger und Schuldner?
Ja, entschieden ja, denn Freiheit setzt in letzter Konsequenz auch die Freiheit zur absoluten Verweigerung voraus, d.h. ein freier Mensch besitzt auch die Freiheit, sich der Urschuld vollkommen zu versagen und durch verhungern aus der Welt zu scheiden. Ob das sinnvoll ist, sei einmal dahin gestellt. Die prinzipielle Möglichkeit dazu kann einem"freien" Menschen jedoch nicht generell abgesprochen werden und damit greift Freiheit sogar über das elementarste Gläubiger-Schuldnerverhältnis dieser Welt hinaus.
> 13.14 Kann der Unterschied zwischen Arm und Reich sich auch dadurch ausdrücken lassen, dass die Reichen mehr Gold haben als die Armen?
Auch, aber nicht nur. Gold ist ein Indiz, an bzw. mit dem man jene Differenz messen kann, aber es ist gewiß nicht das einzige. Vielleich hat das Gold den Vorteil, als Skalierung und Maßstab die universellste und damit allgemein anerkannteste Größe abzubilden.
So, lieber dottore, der Versuch, die schuldige Antwort zu erbringen, ist unternommen, ob er dem"Gläubiger" ausreicht, werden die kommenden Stunden zeigen. Auf jeden Fall nochmals herzlichen Dank für die Anregungen und Denkanstöße, die in allen Fragen enthalten sind.
Herzliche Grüße
Simplici
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