- Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha - dottore, 05.07.2001, 13:20
- Re: Donnerwetter - Leser in Kambodscha - Baldur der Ketzer, 05.07.2001, 13:36
- Re: Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha - Dimi, 05.07.2001, 15:32
- Re: Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha - dottore, 05.07.2001, 20:20
- Re: Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha - Dottore - Dimi, 05.07.2001, 21:50
- Re: Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha - dottore, 05.07.2001, 20:20
- Re: fröhliches Tauschen - R.Deutsch, 05.07.2001, 16:26
- Re: Bin schwer enttäuscht! - dottore, 05.07.2001, 20:00
- Re: Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha - Oldy, 05.07.2001, 20:02
Schuldgeld, Tauschgeld, Freigeld - alles in Kambodscha
Hi,
der Bericht eines jungen Freundes, gerade eingelaufen:
"In Kambodscha gelten zwei Währungen, Dollar und Riel (Kurs 1000 KHR = 0,26 US-$, ergänzt von mir, die Hervorhebungen dito, d.).
Während jede Schuld mit dem Dollar tilgbar ist (steht ja auch drauf:"This note is legal tender for all debts, public and private"), wollen den Riel nicht einmal die minenversehrten Bettler so richtig haben.
Der Riel wird zwar in Geschäften akzeptiert, aber längst nicht mehr in allen. Überall dort, wo offenbar größere Schulden (werden nur in Dollar gemacht) zum Aufbau des Geschäfts benötigte, will man den Riel nicht, weil man die Schulden damit nicht tilgen kann (niemand tauscht einem Riel in Dollar, nur umgekehrt).
Der Riel hat zwar noch einen Wechselkurs zum Dollar, ist aber faktisch nur noch wenig und bald gar nichts mehr wert. Die Menschen, die ihn annehmen, tun das aus einer Art Restvertrauen (oder sie sind wie die Bettler dazu gezwungen, um zu überleben).
Als Mittel zur Schuldentilgung hat er (fast) ausgedient.
Er wird also zum Tauschmittel, weil es für eine Ware hergegeben wird, aber als Mittel zur Schuldentilgung nicht ansatzweise gesichert ist. Und oft sieht man auf den Märkten Phnom Penhs folgendes (ich hab das, was in Mimik und Gestik offensichtlich war ins Deutsche übersetzt...):
Käufer: Drei Mangos, bitte.
Händler: Hier, bitte schön, drei frische Mangos.
Käufer: Und hier sind die 11000 Riel.
Händler (mürrisch): Haben Sie keine Dollar?
Käufer: Nein, aber ich könnte Ihnen statt der Riel eine Ananas geben.
Händler: Hmm, gut, bevor ich die Riel nehme...Also, drei Mangos für Dich, gib mir die Ananas.
Der fortschreitende Vertrauensverlust in die Währung endet also ganz klar im Tauschhandel. Unwiderlegbar und überall zu beobachten.
Damit zur These:
Tauschhandel entsteht durch VERTRAUENSVERLUST, durch die schnell zunehmende Wertlosigkeit von Geld (war ja, glaube ich, auch auf den Schwarzmärkten Deutschlands nach WK2 so, wo getauscht oder mit Dollar bezahlt wurde). Das Tauschsystem ist also ein System, das aus einem (Vertrauens-)VERLUST ensteht.
<font color="FF0000">Ein Verlust kann aber nicht Ursprung sein, da es vorher etwas gegeben haben muß, das nun VERLOREN ist, und das war Geld, dem man (aus welchem Grund auch immer) zutraute, die eigenen Schulden tilgen zu können.</font>
Tauschhandel ist also nicht etwas prämonetäres, sondern postmonetär (Ich hoffe, meine lateinischen Wortschöpfungen machen Sinn). Tauschhandel kann also als Verzweiflungssystem betrachtet werden, und damit verabschiedet sich die These, daß aus dem Tausch das Geld entstanden ist.
Denn wer würde schon ein Verzweiflungssystem als Grundlage für zukünftiges Wirtschaften benutzen?
Niemand, auch nicht der dümmste; denn die Verzweiflung, tauschen zu MÜSSEN, um zu überleben, benötigt kein ökonomisches Fachwissen, sie ist für jeden Neandertaler oder Indianer, für jeden Kaufmann der Antike und für jeden Kambodschaner SPÜRBAR.
Die Freiwirte gehen ja davon aus, daß das Tauschen in der menschlichen Natur liegt, eher als das Geld. Das glaube ich nach meinem Besuch in Phnom Penh aber ganz sicher nicht mehr.
Erstens ist ein Tauschsystem wahnsinnig kompliziert (Was mach ich, wenn ich als Eigentümer einer Kuh Geflügel und Eier brauche, auf dem Markt aber nur zwei Hühner und vier Eier finde, die nicht annähernd den Wert meiner ganzen Kuh aufwiegen? Schneide ich der Kuh ein Bein ab, um es gegen vier Eier und zwei Hühner zu tauschen, auch auf die Gefahr hin, daß der Rest meiner Kuh morgen verfault und damit wertlos ist? NIEMALS).
Und zweitens zahlen Menschen doch am liebsten mit VERTRAUEN. Warum zieren denn die Noten der Weltwährung Dollar die Köpfe honoriger US-Präsidenten? Weil sie Vertrauen einflößen. Und warum wirbt American Express mit dem Claim:"Bezahlen Sie mit Ihrem guten Namen"? Weil Menschen gern Vertrauen schenken und deswegen Rechnungen mit Unterschriften begleichen lassen oder mit einem abgewetzten aber vertrauenswürdigen Greenback, der den langen Weg von Amerika nach Phnom Penh gereist ist.
Vor ein paar Monaten sprachen wir über den Ursprung des Geldes und in diesem Zusammenhang über Indianer-Stämme, denen von den Freiwirten ja immer eine Art Urbedürfniss nach dem Tauschhandel unterstellt wird. Ich könnte mir aber folgendes vorstellen:
Zwei Stämme treffen einander. Entweder hauen sie sich gleich die Köpfe ein oder sie versuchen einander zur gegenseitigen Überlebens-Sicherung zu benutzen. Bevor man aber umständlich anfängt, Fische gegen Felle zu tauschen, setzen sich doch lieber die Häuptlinge zusammen und der eine sagt: Hör zu, wir akzeptieren Euer Zedernholz als Währung und ihr unseres. Das ganze besiegeln wir jetzt mit zwei Unterschriften (daher die zwei Unterschriften auf heutigen Geldscheinen) oder mit zwei Friedenspfeifen. Alle sind glücklich und der Handel beginnt. Und das ist auch der Ursprung des Bilanzierens: Gegen das Geld (Zederholz) steht in der Bilanz kein Gold und auch kein Bond, sondern das VERTRAUEN der ehrwürdigen Häuptlinge. Zuwiderhandlung oder Vertrauensbruch wird natürlich sofort mit Stammesfehde geahndet.
Und diese These erklärt die Inflation, denn wenn ein Stamm anfängt, verdächtig viel Holz (Währung) zu besitzen (vielleicht geben sie Eiche für Zeder aus), kündigt der andere Stamm das Vertrauen auf (Inflation=Vertrauensverlust), und damit beginnt Krieg, und am Ende des Krieges steht der mühsame Tauschhandel bis es neue Häuptlinge gibt, die einander vertrauen und eine Währung schaffen.
Die Amies haben natürlich, clever wie sie manchmal eben doch sind, alle getoppt und das Gesicht von George Washington auf die Dollar gedruckt, und ich zumindest könnte mir kein Gesicht vorstellen, das mehr für Stabilität, Ehrbarkeit und Vertrauen steht als das. Und warum sind auf Geldscheinen immer Wissenschaftler, Könige, große Politiker abgebildet. Weil man ihnen und ihrer monetären Kraft vertraut.
Noch einmal ganz klar meine These: Der Tausch kommt nicht vor, sondern NACH dem Geld. (Und er ist so abschreckend kompliziert, daß er intelligente Leute an einen Tisch zwingt, um dort eine durch Vertrauen oder materielle Werte (gestützte) Währung zu erschaffen.)
Zumindest der nicht eingeklammerte Teil ist unwiderlegbar. Zweifler sollen sich fünf Tage auf den Russian Market von Phnom Penh stellen, und sie werden sehen, wie eine Währung verreckt und durch Tausch ersetzt wird.
Tja, soweit meine Beobachtungen. Ich hatte während der Tage in Phnom Penh die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas mit dem Geld, der Wirtschaft nicht stimmt..."
Dies die äußerst interessante Mail eines Board-Lesers aus Phnom Penh.
Vielen Dank fürs Mitlesen (sicher auch in seinem Namen). Und Tausch-Freaks: Your term!
Gruß
d.
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