- Zinsentstehung nach baissier (andere Ansicht): - netrader, 28.06.2002, 22:07
- Re: produktiver Kredit und unproduktiver Kredit - Wal Buchenberg, 29.06.2002, 12:16
- Zinsentstehung, Re: produktiver Kredit und unproduktiver Kredit - netrader, 29.06.2002, 18:07
- Baissier betr. Zinsentstehung - netrader, 29.06.2002, 20:52
- Re: Teil I - dottore, 30.06.2002, 22:17
- Re: Teil I - Ein ganz herzliches WILLKOMMEN! Es fehlte was! - Popeye, 30.06.2002, 22:26
- Re: Teil I - Ein ganz herzliches WILLKOMMEN! / Und ein Dauer-Ehren-Abo... - JÜKÜ, 30.06.2002, 22:41
- Re: ich freue mich, daß Du wieder da bist (wurde auch Zeit!) ;-) Du fehltest (owT) - Baldur der Ketzer, 30.06.2002, 23:20
- Re: ooops, *freu* - Cosa, 01.07.2002, 08:49
- Re: auch große Freude (owT) - LenzHannover, 01.07.2002, 13:48
- Re: Teil I - Ein ganz herzliches WILLKOMMEN! Es fehlte was! - Popeye, 30.06.2002, 22:26
- Re: Teil II - dottore, 30.06.2002, 22:20
- Re: Teil I - dottore, 30.06.2002, 22:17
- Re: produktiver Kredit und unproduktiver Kredit - Wal Buchenberg, 29.06.2002, 12:16
Re: Teil I
Lieber netrader,
wenn Sie schon mit der Gleichung"baissier/dottore" arbeiten, dann darf ich mich der Einfachheit halber hier an Sie wenden. Verkürzung der Produktionsumwege...
>In der Sache habe ich mit dem Machtgedanken Probleme.
Nachvollziehbar. Ging mir ganz genau so. Die Frage, warum es überhaupt einen Zins gibt, ist mit privatökonomischen Vorstellungen m.E. einfach nicht zu lösen. Auch die gewiss intelligente Lösung von Heinsohn/Steiger, dass mit dem Zins der Verlust der Eigentumsprämie bezahlt wird, haut nicht hin. Denn sie setzt voraus, was zu beweisen war: Dass es auf Zins drängende Kredite gibt.
Der Kredit würde dann in Form eines aufs Eigentum gezogenen Titels mit Namen"Geld" gewährt; damit würde erst "money in waiting" geschaffen, was aber unendlich lange warten muss, falls niemand kommt, der sich das"Geld" abholt. Der Eigentümer kann dann sozusagen das von ihm"geschaffene" Geld jeden Tag aufs Neue bewundern, es sei denn er findet jemand, der ihm diesen"Titel" abnimmt. Aber warum sollte der? Der Titel lautet nur auf"so und so viel Eigentum", was ihn zwar sicher macht, aber dann doch nur eine"Sicherheit" bleibt, eben ein klassisches Pfand.
Der Versuch aus dem illiquiden Pfand uno actu ein liquides zu machen, haut irgendwie nicht hin. Warum sollte ich für das Durchgriffsrecht auf etwas Illiquides etwas bezahlen? Es hilft mir nicht, wenn ich Liquides brauche. Liquides ist immer konkret termin-liquides. Eine Liquidität vor dem Termin, an dem ich sie brauche (Bezahl-, und das heißt eben Abgabenzwang) ist absolut belanglos.
Das Eigentum (Pfand) ist natürlich von größter Bedeutung für das Wirtschaften, aber es hat im Kontext mit"Geld" zwei Achillesfersen: Die Illiquidität und die Versicherung der Besicherung.
Die Illiquidität ist zumindest eine Funktion der Distanz, konkret: der Macht-Distanz: Geld, dessen ihm zugrunde liegendes Eigentum weit weg ist, bringt umso weniger, je länger die Übernahme des Eigentums dauert. Dies gilt übrigens auch für die vermeintlich liquideste aller Eigentumsformen, nämlich das Edelmetall-Eigentum. Wie wir wissen, hatten selbst eindeutig über ihr Gewicht und ihren Feingehalt um rechenbaren Gold- und Silbermünzen in der allen hohen Zeiten dieser vermeintlichen"Warengeld"-Währung bereits von Stadt zu Stadt einen"Wechselkurs", der vom Metall-Pari abwich.
Eine attische Tetradrachme wurde trotz identischem Metallwert bereits in Korinth nur gegen Disagio genommen, was zur auf den ersten Blick als lächerlich erscheint. Tatsächlich liegt dem Phänomen der unterschiedlichen Liquidität selbst einer physisch absolut identischen Sache das eine zugrunde: Nur die attische Drachme wurde in Athen als Abgabenmittel akzeptiert, nur die korinthische in Korinth.
Die"money changer" (griech. = trapeza = Bank, wo der Umtausch lief, daher u.a. auch Trapezunt, heute Trabzon) wären bei einem"privaten" Wirtschaftssystem völlig überflüssig gewesen. Zunächst hätten die Transporteure des Metalls die Wegekosten (nicht Zeitkosten!) plus Transportrisiko bezahlen, also selber tragen müssen, was sie bei Depot-Scheinen noch hätten senken können.
Zur zweiten Ferse: Eigentum, ob immobil oder mobil, bedarf des Schutzes, wobei dieser Schutz aufwendiger sein muss als das, was potentielle"Räuber" (bei Mobilien) oder Besetzer (Immobilien) aufzuwenden in der Lage waren. Eigentum existiert zwar"als solches", aber eben nicht umsonst.
Und, schwupps: Schon sind wir wieder bei der Abgabe, bzw. dem Zwang, das Eigentum auch mit Hilfe von Zwang zu sichern und damit wieder beim Zins.
Der Zins (das"Mehr") ist und bleibt nur der Zins, wenn er / es vollstreckbar, also erzwingbar ist. Der Gläubiger selbst und allein kann nicht in den Schuldner vollstrecken. Er bedarf dazu der Macht. Existiert keine solche, würde er nur auf gut"Glück" leihen, was kein Mensch tut. Auch ins Heinsohn / Steiger'sche Eigentum muss vollstreckt werden können. Wer nur auf gut Glück leiht, könnte das Leihgut gleich verschenken, solche Solidarität in frühen"freiwilligen" Sozialverbänden (Stamm, Familie) ist vorstellbar, notfalls auch noch"Ächtung", wenn jemand das Gut nicht zu pari zurück gibt.
Der Zins gilt durch die gesamte Geschichte als Fremdling und als böse.
Ich erinnere an Canto XlV von Ezra Pound, den LeGoff in seinem"Wucherzins und Höllenqual", dem exzellenten Buch, das die mittelalterliche Anti-Zins-Debatte wiedergibt, zum Schluss zitierte:
"Bei Usura kommt Wolle nicht zum Markt
Schaf wirft nichts ab bei Usura
Usura ist die Räude, Usura
macht stumpf die Nadel in der Näherin Hand
legt still der Spinnerin Rocken...
CONTRA NATURAM..."
"Usura" ist nicht etwa Wucher wie wir aus antiken Quellen wissen, sondern ganz einfach der Zins selbst, z.B. als Alltagquelle ein auf Holztäfelchen erhaltener Schuldschein aus dem römischen Militärlager von Vindonissa:
"Ibi sortem et usuras probas recte dari stipulatus est..."
Der Legionär, der den Schuldschein unterschrieb, benötigte als rundum gut versorgter römischer"Staatsbeamter" bestimmt nicht den Weg zu einem Wucherer, zumal die Gegenpartei ein anderer Legionär war.
Überhaupt führt die Debatte, ob es noch Zins oder schon Wucher, ist Nichts, wenn wir konzis argumentieren wollen. Beim Wucher wird unterstellt, es sei ein etwas"unverschämter","ungerechter" oder"überhöhter" Zins, was nicht nur die Grenzen zwischen beiden"Zinsen" undefinierbar macht bzw. zum Ausweichen auf den"natürlichen" Zins führt, der freilich genau so undefinierbar bleibt.
Warum sollte ein langjähriger Zinssatz von 2 bis 3 % in der aktuellen Schweiz, die nicht als abgeschlossene Bergwirtschaft nur mit und in sich selbst beschäftigt ist, sondern vollständig in die Weltwirtschaft integriert,"natürlicher" sein als die doppelt so hohen Zinssätze etwa in Schweden oder Großbritannien usw.?
Das Böse am Zins weckt seit jeher die größten Emotionen, wie Herr XSurvivor immer wieder mit grandiosen Ausbrüchen bezeugt. Die Freigeld-Bewegung hat es im Grunde nicht auf die Konstrukte "Warenverrotung" abgesehen oder "stabiles Preisniveau", sondern zielt auf den Zins. Für den Kaufmann, dem die Waren"verroten", wird es doch nur kritisch, weil die Waren nicht rechtzeitig verkauft werden, und er, der einen Haufen Lieferanten-Rechnungen auf dem Tisch hat, in Existenzprobleme kommt.
Der Kaufmann steht nicht unter Verrottungsdruck, sondern unter Zinsdruck.
Die"natürliche" Wirtschaftsordnung (NWO) will eben das"contra naturam", also den Zins aushebeln.
Dazu gleich nochmals Ezra Pound:
"Bei Usura, der Sünde wider die Natur
bleibt dir dein Brot fad...
bleibt dir dein Brot trocken Papier,
kein Weizen vom Bergacker, kein kernig Mehl...
Steinmetz gelangt nicht zum Stein
Weber nicht zu seinem Zeugbaum...
Usura setzt an den Meißel Rost."
Die klassischen"Verrottungsphänomene" also: Brot, Weizen, Mehl (bekanntlich Gesells Standard-Beispiel!), Webstuhl, Meißel, sogar Stein!
Der Trick, mit Hilfe eines"Spezial-Geldes" den Zinssatz zu unterlaufen, kann nicht aufgehen, nachdem der Zinssatz nun unbestreitbar in der Welt ist. Weshalb dieser Trick umso heftiger verteidigt wird. Nirgends geht es empfindsamer zu als bei den Freiwirten. Selbst unbedarft Fragende werden als"zum Verständnis außer Stande" befindlich abgekanzelt. Oder belächelt. Oldy ist - das muss bei aller Sympathie, die man seinem Engagement entgegen bringen muss, gesagt sein - geradezu der Prototyp des"Wissenden", der sich über die Unwissenheit aller anderen amüsiert. Ein klassisches Verhaltensmuster für jene, die zwar in die richtige Richtung denken, aber eben nicht konsequent genug.
Den Zins zu verurteilen bzw. ihn irgendwie"natürlicher" zu gestalten, sich dabei aber gleichzeitig am Zins vorbeizumogeln ist ein Unding. Entweder wir haben ihn, egal wie hoch er sein mag, oder wir haben ihn nicht. Ein bisschen schwanger, und das für immer, geht halt nicht.
Als sich Karl Marx dem Zinsphänomen näherte, hat er das in diese perfekte Metapher verpackt:
"Das Geld hat Lieb im Leib..."
Freigeld mag als ein Tauschschein-System durchaus funktionieren, dann aber als System von"token". Solche"Produktions-Marken" gab es lange vor dem Zins, sie dienten (familien- oder Kleinstamm-gebunden, da die"Markierungen" eindeutige Unterschiede aufweisen) der Kontrolle, vermutlich der Vorräte, die dann nicht dauernd neu vermessen oder gewogen werden mussten.
Bitte vergleichen wir dazu die luziden Studien von Denise Schmandt-Besserat sub rubrum"Before Writing"; Schrift ist mehr als nur ein Token: Sie ist von der Schrift, die Schulden bzw. Zahlungen und dann eben Abgaben und Abgabenzwänge dokumentiert nicht zu trennen. Dieses ist seit den Publikationen der"Berliner Schule" der Alt-Orientalisten um Hans-J. Nissen hineichend beweisen ("Frühe Schrift und Techniken der Wirtschaftsverwaltung im alten Vorderen Orient", u.m.)
Die Schrift wurde nicht"erfunden", um Heldensagen oder Gedichte aufzuschreiben, die bekanntlich mündlich tradiert wurden, siehe Homer).
Das"missing link" zwischen Token und Metall (dem Macht- und Gewaltmittel schlechthin) ist auch gefunden: Es sind die zur Erstellung der Token benutzten Feuerstellen, die nicht mehr Herdstellen blieben, sondern Produktionsstätten wurden. Der Schmied ist eine der interessantesten Figuren der Geschichte. Er schillert wie kein anderes Geschöpf, da er sowohl das"Gute" (Pflugschar), als auch das"Böse" (Schwert) zu fertigen versteht.
Ohne Schwert o.ä. als klassischer Gewaltwaffe und sowohl im Angriff als auch (!) zur Verteidigung verwendbar (Panzerhemden aus Steinplättchen gibt es nicht, Steinbeile sehr wohl) ist Machtausübung, noch dazu sich dann gegenseitig hoch schaukelnde (Kriege usw.) nicht als sich über große Flächen verbreiternd vorstellbar. Mit Stein-Waffen lassen sich keine Feldzüge organisieren, mit Streitwagen, die ohne Metall niemals funktionieren würden, aber sehr wohl. Nicht von ungefähr war das assyrische Reich das erste Großreich überhaupt.
Der jahrhundertlange Kampf um Macht und damit die Möglichkeit, Zwangsherrschaft zu errichten und Abgaben einzufordern, was zur Surplus-Erstellung führen muss, ist an dem Phänomen Angriff per Metall und Verteidigung per Stein (Stadtmauer, Befestigungsanlage, Burg!) ebenfalls schön zu studieren.
Für mich sind alle diese Abläufe unmittelbar einleuchtend und sie münden immer wieder in den Zins als Zwangsabgabe.
Endlich haben wir dann den Gläubiger, der den Schuldner herbei zwingen kann. Daraus, eben aus dem"Ur-Zins" (Abgabe), kann sich erst der"private" Zins entwickeln, wie bereits beschrieben: Der Gläubiger hat zwei Möglichkeiten zur Vollstreckung, die ihm die Gläubigerrolle auch endlich"schmackhaft" machen: Einmal in den Schuldner (Person), zu zweiten in das Pfand (Personen, Sachen).
Doch die Vollstreckung setzt Macht voraus, also ein Zwangszins-System.
Die berühmten Zinsverbote (Moses, Mohammed usw.) sind damit auch erklärt. Die Leute waren dazumal nicht dumm. Sie hatten durchaus erkennen können, dass der Zins ein gewaltiger Motor zum Antreiben zusätzlicher Produktion war, also sozusagen den Druck schafft, der zu"Wirtschaftswachstum" und mehr Prosperität führt - wenn auch die Früchte daraus sich immer einseitiger verteilen, was wir bis heute bestaunen dürfen und was ebenfalls ein immer häufiger gebrauchtes"poltitisches" Argument wird,"Schuldenerlass" oder"Globalisierunsgegener" nur als Beispiele.
Die Macht will ihr Zins-Monopol behalten. Denn der Zins (als Abgabe,"census") ist das Machtzementierung-Mittel schlechthin. Sobald Konkurrenten auftreten, die ebenfalls (!) Zins (als ein durchaus nicht zum Weiterleben benötigtes"Gut") fordern und sogar mit Hilfe der etablierten Macht eintreiben können (Vollstreckung), läuft die etablierte Macht Gefahr, ihr"Gewaltmonopol" zu verlieren.
Auch dieses ist Standard der Geschichte: Der Autokrat wird immer von einer Oligarchie abgelöst bzw. das Patriziat (Macht auf kleine Gruppen verteilt) von Plebejern, Grundherren von Leibeigenen (Lollarden, usw.), Ausbeuter von Ausgebeuteten, usw., usw. in vielfachen Varianten.
Aus der Gläubiger-Fraktion kommt der neue Ober-Herrscher (dann Abgaben-Monopolist), wobei die Gläubiger-Fraktion sich auch als Macht-Oligopol etablieren kann, siehe immer wieder das antike Athen und Venedig. Dass Oligopole durchaus stabil sein können, hat Wilhelm Krelle in seiner"Preisheorie" bewiesen.
Das Zins-Verbot,"erzwungen" und strafbewehrt (auch wenn die Strafe erst post mortem kommen sollte), entpuppt sich als Machtabsicherungs-Mittel. Zu folgern, dass sich da jemand der durch Überschuldung aus dem Rennen gehenden Schuldner erbarmt hätte, geht am Kern der Sache komplett vorbei. Dem Gläubiger kann das Schicksal des Schuldners letztlich egal sein, denn er hat auch beim Platzen des zinsfreien Kredits immer das Pfand.
Sobald er aber Zins fordern und vollstrecken kann, so, wie die Herrschaft Abgaben fordern und vollstrecken kann, akkumuliert er"Reichtum" und die Lage der Herrschaft wird ungemütlich.
Die Chance, sich selbst an die Spitze zu setzen, wurde oft genug genutzt: Caesar und Augustus wurden nicht etwa Macht-Monopolisten, weil sie so"tüchtig" waren, brillante Heerführer gab's damals eh genug, ein Pompejus stand einem Caesar nicht nach und ein Mark Anton oder Lepidus nicht einem Oktavian, sondern sie kamen an die Spitze, weil sie über entsprechende Macht-Mittel verfügten.
Caesar aus seinen gallischen Schätzen, Oktavian als Neffe eines Bankiers nicht nur über derartige Mittel, sondern vor allem über die Schätze Ägyptens, das angeblich an ihn persönlich verschenkt worden war (Schätze & Mittel = jeweils die bereits standardisierten Zwangsabgabenmittel, also das, in dem"Steuern" bezahlt werden musste).
Auf die Chance zur Alleinmacht kann auch verzichtet werden, was sich empfiehlt, wenn sich eine Schicht von potentiellen Macht-Ergreifern herausgebildet hat, bei der in etwa gleiche Macht-Verteilung herrscht. Der römische Senat versteigerte sogar die"Imperator"-Stelle. Die Oligarchen im Deutschen Reich des 16. Jh. ("Kurfürsten") bedienten sich beim Habsburger Karl V., der, jung und unerfahren, tatsächlich auf die Nummer hereinfiel und nach langen, vergeblichen"Regierungs"-Jahren resignierte und sich ins Kloster zurück zog. Der anschließende Habsburger Staatsbankrott, der auch den"Außen"-Konkurrenten Frankreich aus gleichen Gründen ereilte, war die unausweichliche Folge.
Karl hätte als Kurfürst ein ungleich bequemeres Leben genießen können. Die Vorstellung, irgendwelche"Kapitalisten" hätten sich einen Kaiser"gekauft" (Ogger) ist völlig daneben. Die Verluste der oberdeutschen Bankiers, die dieser Kauf ihnen einbrachte, waren gigantisch. Auch Karl hat nicht den Thron gekauft, indem er die Kurfürsten bestochen hat. Sondern die Macht-Clique hat ihn verkauft und den armen Kerl anschließend verschaukelt.
Zum diesem Spiel gibt es viele Varianten. Geschichte muss nur richtig gelesen werden. Dann ist alles klar.
Um noch einmal zum Freigeld-Vorschlag zu kommen: Man spürt dort den heißen Wunsch, das Zins-Problem irgendwie herauszumendeln. Der Zins, unter dessen Druck der Kaufmann steht, der Vorschlag, das böse Tier einer"Bank" einzusperren, die das Freigeld immer zum Nominal zurückgibt, also selbst die"Gebühr" zu zahlen - es sei denn, die schleust das Geld sofort weiter. Aber das böse Tier ist längst durch die Hintertür entwischt.
Am Ende will man das Tier mit der"Umlaufgebühr" erlegen. Die wird selbst auf die Jagd geschickt und hetzt dem bösen Tier hinterher, ohne es je erreichen zu können.
Ezra Pound nennt den Zins so treffend
"Neschek, die Natter
Krebsfraß an allen Dingen, Fafnir der Wurm,
Hydra, die überall eindringt..."
Und zitiert:
"Schade, dass die Dichter stets Symbol und Metapher benutzen und kein Mensch aus ihnen schlau wurde, da sie in Gleichnissen sprachen."
Auch Macht, Herrschaft und Zwang sind seit jeher mit ebensolchen Metaphern belegt. Das Bild vom"weisen", vom"gütigen" Herrscher, das Bild vom"Wohlfahrtsstaat" (was für ein Wortungeheuer bei gleichzeitiger contradictio in adjecto!).
Der Gutstaat, geführt von Gutmenschen, alias Beamten, der gutstaatlich weise"Rahmenbedingungen" setzt, sich scheinbar mit der Rolle eines Oberschiedsrichters begnügt (Ordo-Liberalismus).
Das amerikanische Märchen vom"Aufstieg" des"Tüchtigen" (wohin soll er bloß steigen?). Jenes"Leistung muss sich wieder lohnen" (sie kann sich auf Dauer niemals lohnen, weil Macht in Form von Inflation und/oder macht-überschuldungsbedingter Krise oder Gegen-Macht in Form letztlich von Umsturz das mühsam Erworbene wieder zuschanden machen - es sei denn die Karriere des Leistenden führt ephemer in Richtung Berlusconi, also zum Herrscher über den Macht-Apparat, der ach so bereitwillig zur Verfügung steht).
Selbst so kluge Köpfe wie Karl Marx ("Das Kapital") oder Bertrand Russell ("Power - A New Social Analysis") sind nicht zum Kern vorgestoßen. Wie könnte ein"Mehr"-Wert ohne Zins (dem wirklichen Schurken) realisierbar sein? Was steckt wirklich hinter jenem Passus Russells:
"There is, however, a great difference between power desired as a means and power desired as an end in itself"?
Als"means" (Mittel) zu was? Am"end" (Ende) steht was?
Die Macht glorifiziert sich immer wieder selbst, wozu sie ebenfalls die Macht hat (vom antiken Barden, Staatsgeschichtsschreibungs-Lakaien wie Livius, Mythen-Glorifizinskis, die einen Karl den"Großen" als"idealen Überherrscher" produzieren müssen wie Alkuin, über die Zensur des 19. Jh. und des real existierenden Sozialismus bis hin zu den modernen"Medien"). Die Macht erringt der"Held", so etwas wie"Tapferkeit" und"Treue" sind heldische Tugenden.
Ist die Macht schon nicht mit Macht zu brechen, ist ihr wenigstens doch auszuweichen. Dazu die Namen Lao-Tse, Jesus, Franz von Assisi, Gandhi u.v.a.m. Wer Macht, Abgaben und Zins unterläuft, wird verfolgt (die Verhöre der frühen"Christen" durch die römische Macht sind dafür beispielhaft) oder von der Macht verachtet.
Das Ganze hat inzwischen die höchste Stufe der Perversion erreicht: Wer nicht konsumiert und dies bis zum Ende seiner finanziellen Möglichkeiten, einschließlich der Verschuldungsspielräume, wird scheel angeschaut. Dem Porsche sieht man seine Passivseite doch nicht an!
Es gibt in der Geschichte des Welt-Schrifttums überhaupt niemanden, der den Zins freiwillig bejubelt hätte.
Der erste, der den Zins als "Institution" überhaupt verteidigt hat, war Jeremy Bentham in seinem"Defence of Usury" (1787). Dies gegen Adam Smith, der strikt für einen Maximalzins gewesen war ("legal restraint of pecuniary bargains"). Auf diesen"Restraint" wird gern geritten, als ob er der Hengst der Weisen sei - sind nur"Grenzen" gezogen, kann doch nichts passieren. Halbkastriert geht leider auch nicht. Entweder Zins oder kein Zins.
So bleibt es wie es immer war: Der vollstreckbare und vollstreckteZins ist ein Machtphänomen. Ohne Macht kein Zwang, kein Zins und basta.
Der private,"machtfreie" Gläubiger (in spe) kann nicht gezwungen werden, etwas"Verzinsbares" zu produzieren. Wie denn? Warum produziert es also?
Der private,"machtfreie" Schuldner kann nicht gezwungen werden, sich zu verschulden. Er steht zwar unter Druck, aber dieser Druck ist nicht gegen andere (!) vollstreckbar, deren Leistung (Vor-Leistung sogar!) wiederum nicht erzwungen werden kann.
Wir können also nur, und müssen deshalb beim Zwang ansetzen, der nur durch Macht bzw. mit Gewalt ausgeübt werden kann. Woraus unmittelbar einsichtig folgt, dass wir dem Phänomen Macht und Gewalt die zeitliche Priorität zugestehen müssen.
Dass sich Macht nur dann"ergibt", wenn bereits Zins-Kontrakte laufen, sozusagen die Macht als Nothelfer oder Sankt Florian ("Hilfe, es brennt, der zahlt den Zins nicht!") ist nicht vorstellbar und historisch ohnehin nirgends zu entdecken.
Wir finden nirgends eine macht- und gewaltfreie "Friedens-Republik", die irgendwann mit Güterleihe plus Zins startet, und deren dort wirtschaftlich Tätigen dann, wenn ein Zins nicht entrichtet,"bezahlt", bzw. gegeben wird, nach einem Fremden ruft, der - mit einer Gewaltmasse an seiner Seite (Bewaffnete usw.) - in die Republik einrückt, den säumigen Schuldner stellt und ihn zur Zinsung zwingt.
Der Mächtige müsste sozusagen selber warten, bis er gerufen wird. Und"wovon" lebt er in der Zwischenzeit?
(Folgt Teil II)
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