- @Galiani: Simmt das wirklich? - JoBar, 05.12.2003, 09:12
- @JoBar: Richtig! So ging es damals wohl zu! - Galiani, 05.12.2003, 15:04
- Re:. ging damals so zu! Danke für die Bestätigung der schlechten Nachricht:( - JoBar, 05.12.2003, 17:11
- Re: Nach der"Prosperität" kommt das Elend - s'war immer so - dottore, 06.12.2003, 14:25
- Re: die russischen Revolutionäre hatten es drauf... - Jochen, 06.12.2003, 14:53
- Re: Nach der"Prosperität" kommt das Elend - aber erst später - Toni, 06.12.2003, 19:24
- Re: Drei business models für einen Staat - Toni, 06.12.2003, 19:40
- Re: Elend - aber erst später... Wenn nun China für die - JoBar, 06.12.2003, 20:31
- Re: Elend - aber erst später... Wenn nun China... Genial, JoBar:-) - Toni, 06.12.2003, 21:07
- Re: Die Macht oder die Mächte? - JLL, 07.12.2003, 00:14
- @JoBar: Richtig! So ging es damals wohl zu! - Galiani, 05.12.2003, 15:04
Re: Nach der"Prosperität" kommt das Elend - s'war immer so
-->Hi Galiani,
so weit sind wir nun wirklich nicht mehr auseinander.
>Im Zusammenhang mit der"Machttheorie" ging es mir bei dieser Geschichte um folgendes:
>Erstens: Die"Macht" (als waffenbewehrte Gewalt) ist unfähig, Produktivität, Effizienz und Wohlstand zu erzeugen.
Nein. Zunächst kann sie surplus erzwingen. Beweis: das Phänomen des Tributs, das nicht wegzudiskutieren ist. Die Tributpflichtigen sind zunächst zur Mehrleistung zu zwingen (siehe dazu auch den"rätselhaften" Aufstieg der Sowjetunion mit Hilfe der Genickschusskommissare in den 20er Jahren nach der NEP und dann noch bis in die 30er Jahre hinein, was den ununtebrochenen Pilgerstorm der fellow traveller nach Moskau ausgelöst hat, von Anderson Nexö über Vogeler bis H.G. Wells, die sich von dieser Produktionsmehrung blenden ließen, bis dann die ersten merkten, dass es doch nichts wird, siehe Koestler, siehe Willi Schlamm).
Dann lässt das mit dem Produktions-Plus schnell nach und am Ende steht, was immer bei Zwangssystemen steht: die Verelendung - der"real existierende Sozialismus".
>Infolgedessen ist Zwang auch kontraproduktiv, wenn die Abgabenerlöse maximiert werden sollen.
Die aus den jeweiligen <b<Erzwingungsbereich[/b] erzielbaren Abgaben können zuerst maximiert werden, lassen dann nach, so dass neue Erzwingungsbereiche (Klartext: Besteuerungsbasen) gefunden werden müssen. Das geschieht durch Zession von Machtteilen, z.B. wird Eigentum an Grund und Boden zediert (ergo Grundsteuern aller Art möglich, die es vorher nicht gegeben hatte) oder Eigentum an Menschen (ergo Lohn- und Einkommmensteuern, die es vor dieser Zession logischerweise nicht geben konnte).
Im preußischen Fall:
1. Unfreie Landbewohner, das Abgabenpotenzial erschöpft sich, die Macht kommt in die bekannten Finanzierungsprobleme. Bis Stein-Hardenberg.
2. Befreiung der Grunddienstverpflichteten, die jetzt mit ihrem Eigentum an sich selbst wirtschaften können. Ab Stein-Hardenberg.
3. Durch das jetzt startende"freie" (befreite) Wirtschaften lassen sich die Eigentumstransaktionssteuern steigern (sog."indirekte Steuern"), doch das Finanzierungsproblem der Macht kann nur für bestimmte Zeitdauer vertagt werden. Abgabenquote 1850: ca. 9 %.
4. Sehr wichtig! Die Machthalter müssen jetzt die"freien" Bürger besteuern, um weiterhin im Sattel bleiben zu können: die Lohn und Einkommensteuer tritt auf den Plan. Beginnt Ende des 19. Jh. Warum denn Einkommensteuern, wenn die Macht vorher ohne sie ausgekommen ist? Weil der"Gesellschaftsvertrag" so kompliziert und in der Durchführung so kostspielig geworden war? Sicher nicht. Warum hat sich die Abgabenquote in allen OECD-Staaten seit 1965 von knapp 25 auf über 40 % erhöht? Die EU liegt bei über 45, die 5 highest tax countries bei über 50 %. 1965 jeweils ca. 28 bz. 33 %.
Oder platt: Warum hat sie sich die Erzielung (!) von einer Einheit GDP in 35 Jahren bei allem technischen und produktiven Fortschritt, der an der Staatsmacht ja nicht vorbei gegangen ist (im Finanzamt stehen auch Computer) im Schnitt um 60 (sechzig!) Prozent verteuert?
5. Heute: Diese Besteuerungsbasis ist wiederum erschöpft ("Steuer- und Abgabenlastquote"! - man erinnere sich an Ibn Kaldhoun!) und weder neue Einkunftsquellen in Form von Tributen (Expansionskriege) noch in Form von zusätzlichen Steuerbasen sind möglich - sieht man von letzten Zuckungen, wie Ã-kosteuer, die 20. Tabaksteuererhöhung u.ä. ab. Ähnlich: Versuche über"Exporterlöse" (China) oder"Zuwanderung" noch zusätzlich Abgaben- bzw. Besteuerungs-Basen zu erringen.
6. Abstieg des Zwangssystems, wie immer, und Beginn der allgemeinen Verelendung. Diesmal allerdings einer unerbittlichen, da sich weder durch Zessionen (und deren zwischenzeitliche (!)"positiven" Effekte - siehe Frankreichs"enrichissez-vous!", siehe"Einführung der Marktwirtschaft" usw.) noch sonstwie zusätzliche Machteinkünfte mehr generieren lassen.
7. Zugleich Ende der letzten Zessionsmöglichkeit, nämlich der von Staatseinkünften aufgrund der beschleunigten Staatsverschuldung (= Steuerzession).
Sie heben, völlig zu Recht, auf die prosperierenden Phasen ab, übersehen dabei aber mE, dass sich diese nur nach Zessions-Perioden ergeben haben (Eigentum, siehe oben) und sich automatisch immer wieder erschöpfen, also nur Interludien des ökonomischen Ablaufs sein konnten.
Die heutige Prosperität besteht in Sach- und Geldvermögen. Das Sachvermögen wird immer stärker zur Abgabe herangezogen (siehe administrierte Preise, Diskussion über Erbschaft- und Vermögensteuer usw.). Das Geldvermögen nicht minder (Zinsbesteuerung usw.) und löst sich auf, sobald die Steuertitel, die sich die Vermögenden kaufen konnten (direkt oder indirekt) im Rahmen der Überschuldung der Machtsysteme verflüchtigen - wie sich bisher noch alle dieser Titel in der Geschichte verflüchtigt hatten.
>Wie das Beispiel der Leinenweber zeigt, deformiert Zwangsausübung auch die gezwungenen Menschen: sie verblöden im buchstäblichen Sinn. Ferdinando Galiani sagt in"Della moneta" (dts. Düsseldorf 1999; S. 190):
Das mit dem Verblöden passt bestens auf heute! Die"Leistungsbereitschaft" sinkt permanent ("ich bin doch nicht so blöd und arbeite die Hälfte des Jahres für den Staat!") und die Arbeitslosenzahlen sprechen für sich.
>"Das Aufblühen der Wirtschaft eines Landes ist niemals direkt ein Verdienst der betroffenen Menschen, genausowenig wie diese umgekehrt die Schuld für den Mangel an Arbeit im Wirtschaftsabschwung trifft. Es ist ein unzutreffender Gemeinplatz, daß gewisse Völker lasterhaft, andere untätig und wieder andere bösartig seien. Die Schuld trifft nicht sie. Es liegt nämlich in der Natur der Bürger, daß sie, wenn sie einige Zeit lang vergeblich einer untüchtigen Regierung durch Ungehorsam Widerstand geleistet haben, sich mit Blödheit zu wappnen beginnen. Das ist die letzte Verteidigungslinie eines Volkes, die besonders sicher und uneinnehmbar ist und die Untertanen für die Machthaber ebenso unbrauchbar macht wie bei einer Rebellion; es ist dies eine Verteidigung, die den Fürsten völlig hilflos macht, so als ob er überhaupt keine Untertanen hätte."
>Die Welt ist - bis in die jüngste Geschichte - voll von Beispielen, die das belegen.
Ein wunderbarer Passus! Ersetze bitte"Fürst" durch"modernen Staat". Und"Untertanen" durch"besteuerbare Untertanen". Die Steuereinnahmen, die nur von den Untertanen kommen können, waren schon seit langem im Verfall - denn wozu hätten sonst die Steuersätze permanent erhöht werden müssen, allein der USt-Satz stieg in 30 Jahren um 60 % (gestartet war sie übrigens 1916 mit 0,1 Prozent!). Jetzt, da die Sätze nicht mehr gesteigert werden können, sinken logischerweise die Steuereinnahmen insgesamt.
Die Staatsmacht hat sich mit der letzten"großen Zession" (privates Eigentum an Sachen und Menschen) nur Luft verschafft. Jetzt geht ihr der Schnauf endgültig aus, da sie den"Untertanen" nicht völlige Freiheit (Freiheit von jeglichem Zwang, jeglicher Abgabenlast) gewährt hat bzw. gewähren konnte.
"Frei" kann immer nur staats-, abgaben- und steuerfrei heißen, wovon die Bürger in den"freiheitichen Demokratien" jedoch weit entfernt sind. Wären sie wirklich frei, könnte es keinerlei Besteuerung und schon gar nicht Steuererhöungen geben - denn jeder würde hohnlachend zurückfragen:"Wen will der Staat denn mit seiner Steuererhöhungen treffen? MICH kann er doch wohl nicht meinen, denn ich bin frei..."
>
>Zweitens: Nichts desto trotz gibt die"Macht" niemals freiwillig etwas von ihrer Verfügungskraft ab. Wie sollte sich also unter solchen Zwangsverhältnissen jemals eine Partikular-Macht entwickeln können, die der Ober-Macht Teile ihrer Gewalt abtrotzen könnte?
Freiwillig gibt sie nicht ab, sie muss oder wird dazu gezwungen. Wie hieß es so schön?"Wir sind das Volk!" Dummerweise hat das Volk nur den Herren gewechselt. Der alte hatte abgewirtschaftet, der neue tut's ihm zwangsläufig nach. Herrschaft und Wirtschaft passen nicht zusammen - das kann man noch so geschickt konstruieren wie man will. Es wird - auch in"Demokratien" - so enden wie Galiani schreibt: Die Untertanen, alias die Besteuerungsobjekte, gehen der Herrschaft aus.
>Dies macht die These, daß die"Machthalter" zwecks Optimierung ihrer Einnahmen aus Abgaben Teile ihrer"Macht" zedieren würden, überaus fragwürdig.
Nein, passt schon. In der jetzigen, letzten (!), Zessionsphase (Staatsverschuldung) minimieren sich die Einnahmen, über welche die Machthalter noch verfügen können, automatisch. Die Macht ist in toto (egal, welche noch so demokratisch gewählten Machthalter sie besetzen) am Ende ihres Lateins. Weltweit.
Gruß!
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