- Heyers Kritik an Dottores KAPITALISMUS - Theo Stuss, 07.12.2003, 16:57
- Re: Heyers Kritik.. Ist das Schröders Wirtschaftsberater? *blauäugigguck* (owT) - JoBar, 07.12.2003, 17:29
- Frage zum Kettenbriefcharakter des Debitismus - MI, 08.12.2003, 10:29
- Re: Ich hoffe Dottore antwortet mal (owT) - Theo Stuss, 08.12.2003, 12:20
- Re: Ich hoffe... / Nur nicht drängeln... - Student, 08.12.2003, 12:38
- Re: Frage zum Kettenbriefcharakter des Debitismus - dottore, 08.12.2003, 13:55
- Super. Danke dir! Ich laß es jetzt erst mal"sacken". (owT) - MI, 08.12.2003, 16:43
- Re: Ich hoffe Dottore antwortet mal (owT) - Theo Stuss, 08.12.2003, 12:20
Re: Frage zum Kettenbriefcharakter des Debitismus
-->Hi Michael,
sorry, hatte es nicht gesehen.
>Danke für die Seite."Der Kapitalismus" habe ich noch nicht gelesen, kam letzte Woche aber rein. Durch die "Krisenschaukel" habe ich aber zumindest einen ersten Eindruck was Debitismus/Kapitalismus anbelangt.
>Ich las auf der erwähnten Seite:
>Martin will den Kapitalismus, bzw Debitismus retten, indem er ihn beschleunigt! Dies genau ist sein Denkfehler, der ihn in die gleiche Ecke verweist, in die er alle anderen Wirtschaftswissenschaftler gestellt hat: in die Ecke der Irrenden! Eine Beschleunigung des Systems bringt nämlich nichts anderes, als einen beschleunigten Zwang, neue Schuldner finden zu müssen. Solange dieses Problem nicht dahingehend gelöst wird, daß der Kapitalismus nicht mehr neue Schuldner finden muß, ist jede Beschleunigung des Kapitalismus/Debitismus nichts als eine Beschleunigung seines Untergangs!
Vom"Retten" war nicht die Rede, sondern zunächst von einer möglichst einfachen und nachvollziehbaren Beschreibung des kapitalistischen Systems. Ob und inwiefern es dabei zu einer"Beschleunigung" kommen muss, hängt nicht vom Kettenbrief ab, sondern wohl davon, dass er, sofern die Adressaten sub summa ausgehen, dieselben Adressaten öfter erreichen muss.
Angenommen 1000 Schuldner sind vorhanden und haben je 1000 Schulden (= 1 Mio). Statt 100 neue Schuldner à je 1000 (= 100.000), die nicht aufkreuzen (können), womit wir dann 1100 mit je 1000 hätten, müssten die 1000 die 100.000 jetzt auf sich buchen (= ihre einzelner Verschuldung um je 100, also auf 1100 steigern). Dies setzt sie unter entsprechend größeren Druck, auch wenn parallel dazu laufend Schulden mit Hilfe von Leistung abgearbeitet werden, so dass der Druck auch wieder verschwindet.
Generell könnte es aber funktionieren, sofern nicht ein Schuldner auftritt, der nicht mit eigener zusätzlicher Leistung abarbeitet (Staat), sondern abarbeiten lässt (höhere Steuerschulden der Leistenden) bzw. aufschuldet, was das Problem nur vertagt.
Würden die 1300 Mrd. Staatsschulden mit einem Schlag pro Kopf auf (angenommen) 65 Mio Einwohner verteilt und fällig gestellt, hätte jeder 20.000 zusätzlich zu bezahlen, was zunächst nur gelänge, indem jeder der 65 Mio sich die 20.000 selbst per Verschuldung beschafft, was den Druck erheblich steigern würde - ganz unabhängig davon, wer dann im einzelnen die 1300 Mrd kassieren würde (aufgrund der bekannten, wenn auch sich laufend verschlechternden Verteilung der Guthaben, wären es natürlich viele der 65 Mio. selbst; was aber nicht das Thema ist - auch nicht die Staffelung der Fälligkeiten usw.).
Das kapitalistische System kann sehr lange unter Druck gehalten werden. Es muss aber in sich enden, sobald der Verrentungsprozess einsetzt, also arbeitslose Einkommen entstehen, die nicht über den Markt (als Kettenbrief-System mit Findungszwang von Nachschuldnern) entstehen, sondern aufgrund von Titeln, die Einkommen mit Hilfe von Macht, also Einsatz von bewaffnetem Zwang denen zufließen lassen, die diese Titel halten (das reicht vom Altersrentner über den Sozialhilfeberechtigten über den Staatsbediensteten bis hin zum direkten Staatsgläubiger: sie alle erzielen keine Markt-, sondern Machteinkommen - egal wie hoch sie im Einzelfall sein mögen).
Dadurch schnurrt der unter Druck stehende Sektor immer stärker zusammen, kann immer weniger abliefern (relativ zu dem, was abgeliefert werden müsste), was mit immer höherer Staatsverschuldung ausgeglichen wird eben so lange, bis sich die beiden Lager unversöhnbar gegenüber stehen, was spätestens dann der Fall ist, wenn es keinem aus dem Leistungslager mehr gelingt, in das Rentenlager zu wechseln oder falls dies noch möglich ist (die Menschen kommen automatisch ins Rentenalter usw.) die Alimentation des Rentenlagers durch das Leistungslager nicht mehr möglich ist, der Leistungssektor immer schwächer wird ("Leistung muss sich wieder lohnen!") und der Rentensektor ebenfalls immer tiefer fällt ("Rente auf Sozialhilfe-Niveau für alle!""Kürzung der Beamtenbezüge!""Minizinssätze decken nicht mehr die [durch Steuern und Gebührenerhöhungen] decken nicht mehr die Inflationsrate!").
>Ich hatte nie den Eindruck, daß da etwas"gerettet" werden soll. So weit ich das verstanden habe, wird der Kettenbriefcharakter des Debitismus und damit sein inhärentes Ende mit immer wieder Neubeginn doch gar nicht geleugnet.
Wie sollte auch? Ein sauber durch gezogener Staatsbankrott hätte den großen Vorteil, den Staat als Schuldner für lange Zeit zu diskreditieren, ergo den Verrentungsprozess (den jedenfalls via Staatsverschuldung) auf längere Zeit zu verunmöglichen. Der Staat müsste selbst seine Rentner (Beamte, Pensionäre) auf ein Minimum reduzieren und für die Altersrentner müssten entweder innerfamiliäre oder andere, neue Umverteilungslösungen gefunden werden. Jedenfalls wäre dann wieder ein Maximum an Leistung (schon zur Tilung der sog."Urschuld", alias Lebenserhaltungskosten) zu beobachten und ein weiterer"Durchlauf" starten. [Für die aktuelle Situation sehe ich den zwar persönlich nicht, da die Prolongation auf die letztmögliche Spitze getrieben und damit die Fallhöhe maximiert wird, aber ich täusche mich gern].
>Es geht doch nur um die Verzerrung bzw. Verschleppung, die der Staat mit seiner Verschuldung auslöst. Aufstieg und Niedergang sind natürliche Vorgänge und wären zu bewerkstelligen.
Dabei kommt (als weiterer Ansatz, siehe Machttheorie) hinzu: Sollten in oder nach diesem Ablauf (Aufstieg/Niedergang) grundlegende Veränderungen etwa der Eigentumsstruktur erfolgen (z.B. Sozialisierung statt breitest mögliche Umverteilung), zieht also die Macht bereits zedierte Unterteile wieder an sich, wäre dies höchst ungut, da der stets machtinduzierte Verelendungsprozess entsprechend früher einsetzen würde und nicht - wie auf der jetzt aktuell laufenden letzten Stufe der Macht-Zession, nämlich der Abgabenzession unter Beibehaltung von Eigentum an Personen (ihrer selbst) und Sachen, insonderheit eben Grund und Boden - wieder längere Zeit hätte, um zu sinem natürlich Ende zu finden.
Man lese nochmals Rousseau:
"Der Staatskörper, wie der menschliche, stirbt schon seit dem Tage seiner Geburt; in sich Selbst trägt er den Keim seiner Zerstörung.
Aber der eine wie der andere, kann eine mehr oder weniger starke Konstitution haben, und zu ihrer längeren oder kürzeren Erhaltung
geeigenschaftet sein.... Es (hängt von den Menschen) ab, das Leben des Staates so lange wie möglich dadurch zu verlängern, dass sie
ihm die beste Konstitution geben, deren er fähig ist. ["constitution" in sehr schöner Doppelbedeutung]. Der bestverfasste Staat
erreicht sein Ende, aber doch später als ein anderer, wenn kein unvorhergesehner Fall seinen Untergang beschleunigt."
>Nur mischt sich eine Instanz (der Staat) in die Kreisläufe ein und sorgt dafür, daß der Niedergang, der vielleicht in überschaubaren Maßen hätte von Statten gehen können (z. B. unblutig), zu einer riesigen Katastrophe wird, die großes Elend und Leid hervorruft.
Der Rousseau'sche Fall wird zumindest ein"unerwarteter" sein. So viel Flausen hatten die Menschen noch nie im Kopf wie heute, was den Staat betrifft.
>Womit dann der Staat genau das herbei gerufen hat, was er eigentlich verhindern wollte (wie so oft im Leben).
>Ist das so halbwegs korrekt wiedergegeben? Wäre um Anmerkungen dankbar.
Ja, so passt es. Der Staat ist das Problem, nicht die Lösung.
Gruß!

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