- @dottore: Fragen zur Geldentstehung - MikeFFM, 17.12.2003, 21:21
- WANN genau haben"Machthalter" d. Standardisierung der Abgaben dekretiert? (mkT) - Galiani, 17.12.2003, 21:58
- Re: @dottore: Fragen zur Geldentstehung - dottore, 18.12.2003, 11:38
- Re: @dottore: Fragen zur Geldentstehung/Appropos Tempelbank-Frage - monopoly, 18.12.2003, 12:10
- Re: @dottore: Fragen zur Geldentstehung/Appropos Tempelbank-Frage - dottore, 18.12.2003, 19:31
- @dottore: Krieg also immer nur zur Tributgebiet-Erweiterung? - MikeFFM, 18.12.2003, 21:36
- Re: @dottore: Fragen zur Geldentstehung/Appropos Tempelbank-Frage - monopoly, 18.12.2003, 12:10
Re: @dottore: Fragen zur Geldentstehung
-->Hi Mike,
>hab ein paar Fragen zur Geldentstehung.
Ich nehme an, Du meinst kurantes Geld. Also nicht jene Materialien (siehe Geldmuseum Buba wie Brautgeld, Protzgeld, Steingeld, Hortgeld usw., die one way waren und vom Empfänger nicht wieder verausgabt wurden, wie Gerloff sehr schön herausgearbeitet hat).
>Also, das Ganze fängt offenbar mit Beutezügen und der Unterwerfung von Gebieten an, in denen die Leute dann tributpflichtig werden. Dieser Tribut wird zunächt in Naturalien fällig und geleistet, oder?
Ja.
>Wie kommt es dann zur Geldentstehung?
Zum kuranten, also wiederverausgabten Geld, weil das a) das Tributgebiet gegen andere Interessenten zu sichern ist und b) der Tributherr sich der Konkurrenz im eigenen Machtgebiet erwehren muss. Dafür müssen jene, die bei der Macht- (= Tributabforderungs-)besicherung helfen in etwas bezahlt werden, was sie ihrerseits weitergeben können - gegen Güter aus dem Tributgebiet, deren Bewohner das Geld dann ihrerseits wieder abliefern müssen.
A ist Herrscher und erhebt vom Gebiet X Tribut in Form von G. B kommt daher und möchte A dies streitig machen. Also muss sich A andere wie C, D, E usw. kaufen und gibt ihnen etwas von G ab. C, D, E usw. akzeptieren G, weil sie ihrerseits mit G sich etwas aus dem Gebiet X beschaffen können, was unschwer gelingt, weil das Gebiet X wiederum G an A abliefern muss.
>Wegen der Bezahlung der Söldner (Warum sind überhaupt fremde Söldner nötig, reichen die eigenen Leute nicht)?
Nein. Der Herrscher ist stets in Gefahr die Herrschaft mit all ihren Annehmlichkeiten zu verlieren. Dieser Gefahr muss er begegnen, da er allein zur Besicherung seiner Herrschaft zu schwach ist (vgl. die Geschichte der griechischen Tyrannis, ausführlich de Libero über ihr unausweichliches Ende). Er kann zwar Dynastien bilden oder Clans und Cliquen, die ihn stützen (vgl. Etrusker, vgl. Patriziate, vgl. Saudi-Arabien bis heute), aber auf Dauer kann nur gekaufte Macht von außerhalb seine Herrschaft stützen.
Das haben die Etrusker übersehen und wurden von Rom überrannt, siehe den Sturz der Etrurer-Könige in Rom. Das haben Patrizier-Gebiete übersehen, siehe den Untergang ihrer Herrschaft through the ages (Jericho, griechische Stadtstaaten, inkl. Athen, siehe Siena und Pisa, siehe Venedig, siehe fast sämtliche deutschen Städte bzw. Stadtstaaten, sehr schön Nürnberg, das ein ziemlich großes Gebiet, aber keine Söldner-Hilfstruppen hatte).
Die Geschichte des kuranten Geldes beginnt mit dem Söldner, vgl. a. Polanyi und etwas ausführlicher das Bremer Paper von mir. Der Söldner als Machterhaltungs-Dienstleister ist das erste Gut, das der Herrscher kaufen muss - alles andere kann er sich in seinem Gebiet per Machteinsatz selbst beschaffen. Selbst Ägypten, das relativ uneinnehmbar war, musste Goldmünzen nach punischem Standard prägen, um karthagische Söldner zu kaufen. Ägypten selbst kannte im Inland keinerlei Münzen. Rom prägte Silber, um gegen Pyrrhos zu bestehen, prägte Gold nach Cannae, um sich damit Söldner kaufen zu können. Kroisos ist bekannt. Der prägte nicht seine bekannten Goldstatere, um damit im Inland zu kaufen oder zu handeln, sondern um sich fremde Truppen zu kaufen. Die Geschichte der griechischen Söldner (Xenophon, Anabasis) ist auch bekannt.
Die Kelten waren Söldner (ihre Goldmünzen, die"Regenbogenschüsselchen" stammen aus Kleinasien, wie Osmium-Analysen ergaben; mit Lydien haben die Leute um Regensburg und Manching bei München [großer Fundort] keinerlei Handel getrieben - außer mit sich selbst als Exportschlager), über die Gotländer und andere"Nordmänner" wurde schon ausführlich gepostet.
>Warum werden diese nicht mit Naturalien entlohnt?
Sie wurden natürlich in den Kampfgebieten versorgt (Fourage). Aber sie forderten den"Lohn der Freien" und das war Edelmetall, das sie horteten (Fundorte in Massen just dort, von wo aus keinerlei"Waren" exportiert wurden), um mit dem Edelmetall dann von dort Güter zu beziehen, wo das Edelmetall als Abgabe zu entrichten war.
>Seid wann etwa hat sich Gold als allgemeines Wertmetall durchgesetzt?
7. und 6. Jh. Der Wert ergab sich nicht aus der Bezahlung (Preis) des Söldners, sondern aus dem, was der Söldner dafür aus den Gold-Tributgebieten beziehen konnte.
>War Gold von Anfang an die"Einheit" des Geldes oder gab es Vorstufen bzw. gängige Alternativen (Silber o. ä.)?
Ja, Silber war früher. Es war Tributmetall und deshalb standardisiert, wie alle Abgaben standardisiert sind. Über die Silbertribute der Perser gibt Herodot beredt Auskunft. Die Perser hatten keinerlei Binnenmärkte, mussten aber ihre Tributgebiete laufend sichern, wozu sie Fremdtruppen brauchten, die sich dann logischerweise mit Silber bezahlten, als"Dareiken" (von Dareios) dann gemünzt und komplett standardisiert. Alexander hob dann die Silberschätze ganz und gar: Die größte Ausmünzung der antiken Geschichte.
In den anderen Großreichen davor (Assur, Meder) war es ähnlich (Tempelbank = Thesaurierungsysteme). Zeitlich reicht das weit ins - 2. Jt. zurück. Diese Reiche gingen unter, weil ihnen die Möglichkeit fehlte, ihre Macht gegen außen mit Hilfe von Söldnern von noch weiter draußen zu sichern.
Im Inneren zerfiel ihre Macht, weil die auf Silber lautende Besteuerungsbasis verfiel. Die zu Silberabgaben verpflichteten Inländer mussten sich Silber, das sie schuldig waren (nicht aus Kontrakten zuerst, sondern aus Abgaben) zu horrenden Sätzen leihen (Sidney Homer, Standardwerk zur Zinsgeschichte, hat 20 bis 40 % p.a. ermittelt), was auf Dauer kein Mensch erwirtschaften kann.
Stell Dir vor, Du müsstest eine Pro-Kopf- oder Grundsteuer von jährlich 100 bezahlen und musst Dir das Steuerzahlungsmittel zu 40 % leihen. Brutus, siehe Cicero, kassierte in Kleinasien (Tribiutpflicht gegenüber Rom) sogar noch höhere Zinssätze.
Zu solchen Sätzen leiht sich niemand Geld, um ein Geschäft zu starten, sondern, weil er eine - von ihm überhaupt nicht freiwillig gewollte - Abgabe zu leisten - oder die entsprechenden Sanktionen zu tragen hat. Dass so was zu Aufständen führt, ist logisch, vgl. Mithridates gegen Rom und die Rede Ciceros über den Oberbefehl des Pompeius dazu.
Gruß!
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