- @dottore - Gedanken zum Wochenende - Fontvieille, 16.06.2001, 00:08
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - dottore, 16.06.2001, 13:46
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - falsch formatiert, hier besser? - dottore, 16.06.2001, 13:53
- Re: @dottore - Gedanken... Es ist eine wahre Freude hier zu lesen! (owT) - André, 16.06.2001, 18:41
- Dem schließe ich mich 100%ig an. -owT- - Shakur, 16.06.2001, 19:06
- Re: @dottore - Gedanken... Es ist eine wahre Freude hier zu lesen! (owT) - André, 16.06.2001, 18:41
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - Fontvieille, 16.06.2001, 15:56
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - Shakur, 16.06.2001, 20:08
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - Fontvieille, 16.06.2001, 20:37
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - Shakur, 16.06.2001, 20:08
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende: Kredit auf Kredit auf.. - Fürst Luschi, 17.06.2001, 07:39
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende: Kredit auf Kredit auf.. - dottore, 18.06.2001, 17:55
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - falsch formatiert, hier besser? - dottore, 16.06.2001, 13:53
- Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - dottore, 16.06.2001, 13:46
Re: @dottore - Gedanken zum Wochenende - falsch formatiert, hier besser?
>>Hallo dottore,
>>zunächst mal: das ist die beste Zusammenfassung der Gedanken aller Ihrer Bücher, die ich mir denken kann - zugleich aber auch eine Weiterentwicklung.
>Lieber, verehrter Fontvieille, vielen Dank.
>>Ich habe mich bei Ihren Büchern gefragt, weshalb Sie immer wieder Lösungsversuche angeboten haben, angesichts von Problemen, die nicht lösbar sind.
>Grundsätzlich haben Sie natürlich Recht. Zwei Anmerkungen dennoch:
>1. Es ging mir in meinem Beitrag vor allem darum, zu zeigen, dass die"Verdinglichung" des Geldes nur unerfüllbare Heilslehren sind ("the real (!) thing money" wie Friedman es nennt; andere Vorschläge wie"Warengeld","Vollgeld" oder"Freigeld"). Wir leben in der Tat mit einem nicht lösbaren Problem, da Ã-konomie, wenn sie denn ein auf Zuwachs des realen Ouputs zielendes Wirtschaften sein soll, nur in einem"Kreditgeldsystem" (wie es heute auch bezeichnet wird), also immer nur auf Krediten auf Krediten auf Krediten (mit unterschiedlicher Fristigkeit) usw. basierend, möglich ist.
>Kredite erzwingen just jenen"unangenehmen Druck", der letztlich den"Kapitalismus" definiert.
>Dieser Druck macht den Kapitalimus allerdings zugleich so erfolgreich, weil Wirtschaften eben ein"Erfüllen" bzw."Sich-Beugen" unter diesem Druck darstellt. Ein"freiwilliges" Wirtschaften, in dem Sinne, dass jemand freudig und nicht "fremd bestimmt" zu Werke geht, gibt es in einer Kreditwirtschaft ("Debitismus") in der Regel nicht.
>2. Meine"Lösungsvorschläge" bezogen sich nur auf ein mögliches Konzept zur Minimierung dieses"Drucks". Abzuschaffen wäre er nur bei Beendigung jeglichen Kreditsystems. Eine Minimierung des kapitalistischen Drucks läuft letztlich auf eine Minimierung des Kreditierens und vor allem eine Mimimierung der mit der Kreditierung verbundenen Zinssatzes hinaus.
>Ersteres wäre zu erreichen, indem nur vorhandene Sicherheiten für Kredite akzeptiert werden und nicht wie heute, auch die Akzeptanz von künftigen Einkommen als Sicherheit (wie z.B. bei"Überziehungskrediten" oder"Personalkrediten", da die Person selbst nicht als"Sache" als Sicherheit dienen kann - wie es in früheren Phasen der Geschichte üblich war, Stichwort: Schuldknechtschaft).
>Letzteres, indem ein nicht leistender Schuldner (Staat) von vorneherein aus dem Kreditgewährungssystem ausgeschlossen würde - es sei denn er offeriert dingliche Sicherheiten (und nicht etwa die Aussicht auf"künftige Steuereinnahmen", über deren Eintreffen keinerlei Gewissheit herrschen kann, man denke nur an den Fall einer größeren Kontraktion).
>Beides wird derzeit appliziert, Stichworte: Basel II und Plafondierung der Staatsdefizite (Maastricht).
>Beides ist ein klarer Paradigmenwechsel, birgt aber große Risiken, da beides bereits vorhandene Kredite mit umfasst oder im Klartext: Die Behandlung alter Kredite in der Art wie sie - im Konfliktfall - bisher durchgezogen wurde, in der Regel eben durch Prolongation bzw. Hochbuchen, erschwert. Dies kann und wird (vor allem bei Basel II, bei Maastricht ist man"politisch" flexibler) massive Probleme schaffen, da die Gewährung neuer Kredite, die gewährt werden müssen nicht nur um die alten zu prolongieren, sondern auch um sie zu realiseren (das Problem, dass der Zins zunächst nur durch Nettoneuverschuldung erscheinen kann!), tendenziell begrenzt bzw. erschwert wird.
>Ein reines Kredit-auf-Kredit-System, wie wir es heute haben, lässt sich nur sehr schwer wieder auf einen Zustand zurück führen, der die Kredite wieder in einen mit der Produktion und der Marktrealisierung des Produzierten bedienbaren Rahmen bringt.
>Es ist leicht, einen Ballon (Finanzblase) aufzupumpen, aber nur schwer, ihn wieder zu deflationieren. Die die zur realwirtschaftlichen Bedienung der durch die Finanzblase repräsentierten Forderungen auf kurze Sicht ganz unmöglich ist, da die Forderungen (ex Staats- und Privatschulden) längst ein Vielfaches der jeweiligen jährliche Wirtschaftsleistungen erreicht haben, ist m.E. dies nur über Inkaufnahme einer massiven deflationären Depression möglich.
>Deflationär vor allem, da die durch die nicht mehr so ohne weiteres gegebenen Prolongationen (ergo Klartext: Kreditrestriktionen) alsbaldige Abarbeitung der Schulden durch Bereitstellung massiv zusätzlichen realen BIPs erzwingen, was letztlich zu Zwangs- oder Notverkäufen führt.
>Depression, weil der Ablauf dieses Prozesses, der die Zahl der Einzelkonkurse (Private, Unternehmen, sogar staatliche) stark erhöhen dürfte, was wiederum die Basis für die Vergabe von Krediten (auch wenn es nur Kredite wären, die definitiv nicht der Hochbuchung dienen, sondern der Erstellung zusätzlichen BIPs) gewaltig einschränken wird.
>Ich sehe also die gleiche deflationäre Depression kommen, die sich"später, irgendwann" auch mit absoluter Sicherheit ergeben hätte, wenn das bisherige System an seine Kreditvergabemöglichkeiten gestoßen wäre. Nur jetzt wird diese Grenze durch Gesetz (Basel II) und Völkerrecht (Maastricht) gesetzt.
>>Ich habe das auch mal gepostet, wenn Sie sich erinnern (mehr ins Kino gehen), Sie haben mit Ihrem Religionslehrer geantwortet, der das Paradies doch auch auf dieser Welt für möglich hielt. Deshalb habe ich letzten Sonntag nochmal nachgehakt.
>Besten Dank, darüber habe ich sehr intensiv nachgedacht.
>>Gestern Nacht habe ich wieder mal die letzten Seiten der"Krisenschaukel" gelesen mit Ihrem Vorschlag, durch Enteignung das Problem zu lösen.
>Es gab zwei Enteignungsvorschläge: Der eine bezog sich auf das Durchdenken der GG-Vorschrift"Eigentum verpflichtet" (nicht einer Besicherung von Kreditvorgängen dienendes Eigentum müsste - das GG zu Ende gedacht - enteignet werden; das war nicht mein Vorschlag, ich hatte es aber höchst missverständlich formuliert, sorry).
>Der andere bezog sich auf die Streichung der Staatsschulden und zwar konkret der Zinsen auf diese. Dieses hätte die Titelinhaber (die letztlich Gläubiger ihrer selbst sind) immerhin in die Lage versetzt, über die dann - pro rata tempore - abzurufenden Fälligkeiten nur in Bezug auf die ihnen versprochenen Zinszahlungen enteignet. Immerhin hätte dies den Vorteil gehabt a) eine Staatsentschuldung voranzubringen und b) den Staat - aufgrund des Vertrauensverlustes - ein für alle Mal aus dem Kapitalmarkt zu kegeln.
>>Was ich jetzt in Ihrem Text lese, ist genau das, was ich auf andere Weise zum Ausdruck bringen wollte: einen paradiesischen Zustand der Sicherheit, des Wohllebens, der Problemabwesenheit etc. kann es auf dieser Welt eben nicht geben, absolut niemals.
>Absolut niemals ja, und einverstanden. Aber es lassen sich wenigstens relative Verbesserungen vorstellen. Zum Beispiel wäre das Entfallen von Privatkonkursen (unzählige Haushalte weltweit sind hoffnungslos überschuldet) ein Vorteil. Und ebenso eine massive Senkung der Zinssätze die sich bei einem Verschwinden des Staates auf den Kapitalmärkten ergeben würde (das"crowding out" privater Kreditnehmer durch den"zinsrobusten" Staat entfiele ein für alle Mal).
>>Dazu braucht man auch nicht die Religion (die ich ins Felde geführt habe), dazu reicht ein realistischer Blick in die Welt - wie Sie es gerade so trefflich beschrieben haben.
>>Bei vielen großen gescheiterten Ideologien habe ich eine Zweiteilung festgestellt: Eine ziemlich gute Analyse und Beschreibung der Misstände dieser Welt oder einer bestimmten Zeit oder eines bestimmten Regimes. Dann der Lösungsvorschlag, wie alle Probleme zu lösen seien, (...)
>Exzellent beobachtet. Nur geht es mir nicht um die"Lösung" und schon gar nicht"aller" Probleme. Sondern nur darum, die unlösbaren Probleme in ihrer Auswirkungen auf die Menschen selbst möglichst zu mildern.
>>(...) durch Vergesellschaftung der Produktionsmittel, durch Privatisierung der Produktionsmittel, durch Gottesstaat, durch völlige Trennung von Religion und Staat, durch Verzicht auf Sex und Alkohol, durch hemmungslosen Konsum von Sex und Alkohol, durch Schärfung des intellektuellen Verstandes, durch Besiegen des intellektuellen Verstandes durch Meditation, etc etc etc....
>>Die Geschichte zeigt, daß bisher noch alle solche"Endlösungs"-Versuche bzw."charismatische Visionen" gescheitert sind.
>Absolut einverstanden.
>>Am besten lebt es sich in Gesellschaften, die dem faulen Kompromiss des Machbaren huldigen und ansonsten die Leute in Ruhe lassen.
>Der"faule Kompromiss" besteht in dem Kredit-auf-Kredit-System leider nicht in einem Kompromiss (was z.B. so etwas wie die Akzeptanz einer Vergleichsquote wäre), sondern in einer beschleunigten Fortführung des Kredit-auf-Kredit-Systems. Damit kehrt nur vorübergehende Ruhe ein, aber je länger diese Ruhe anhält (und Kredit bzw. der Versuch, ihn"unspürbar" zu machen, ist ein Zeitphänomen), desto brutaler bricht dann der finale Sturm los.
>>Was ich mich immer gefragt habe und noch heute frage ist, weshalb Menschen, die gewisse Wahrheiten durchschauen, immer meinen, sofort darauf eine Antwort bzw. Lösung parat haben zu müssen. Diese Frage habe ich mir auch immer nach Lektüre Ihrer Bücher gestellt. Der jetzt von Ihnen geschriebene Text erscheint mir da anders, bescheidener, realistischer. Oder habe ich da was mißverstanden?
>Nein. Der Text war genau so gemeint. Wir leben in einer Welt, die wir nicht absolut verbessern können. Aber wir können versuchen, sie relativ zu verbessern, ohne ihre Probleme mit Hilfe von"Patentlösungen" (siehe Geld ist dann statt einer Schuld eben eine"Ware") mit Stumpf und Stil auszurotten. Das ist ganz unmöglich.
>Und damit ich mit dem Geld als"Ware" nicht missverstanden werde: Ein Kreditsystem, das auf Goldbasis (die Ware Gold als Sicherheit) beruht, wäre ein gewaltiger Fortschritt. Weshalb ich uneingeschränkt für die Wiedereinführung des Goldstandards plädiere. Wann und wie dies zu bewerkstelligen ist, bleibt dem Ablauf der vor uns liegenden Entwicklung (dem"Unwinding") des Kredit-auf-Kredit-Systems vorbehalten.
>Dies vielleicht als ergänzende Bemerkungen eines in der Tat und gerade durch die vielen hochkarätigen Diskussionen in diesem Board hier erheblich bescheidener und demütiger gewordenen
>d.
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