- Auf der Suche nach literarischen Belegen gegen die"Machttheorie" stieß ich auf: - Galiani, 02.12.2003, 18:41
- Re: Auf der Suche nach literarischen Belegen gegen die - Gatsby, 02.12.2003, 20:21
- Sehr interessant! Und ich habe eine Münze aus d. sterbenden Malta (Ende 18. Jh) - Galiani, 02.12.2003, 20:44
- Macht und Herrschaft - FOX-NEWS, 02.12.2003, 21:51
- Re: Macht und Herrschaft - Galiani, 02.12.2003, 22:48
- Re: Macht-Monopole - Tassie Devil, 03.12.2003, 05:31
- Re: Macht und Herrschaft - Galiani, 02.12.2003, 22:48
- Macht und Herrschaft - FOX-NEWS, 02.12.2003, 21:51
- Sehr interessant! Und ich habe eine Münze aus d. sterbenden Malta (Ende 18. Jh) - Galiani, 02.12.2003, 20:44
- Der Kreuzritterorden - Turon, 02.12.2003, 21:24
- @Turon: Re: Der Kreuzritterorden - Galiani, 02.12.2003, 22:43
- Gibt es denn einen anderen Grund sich in den Schutz der Macht - Turon, 02.12.2003, 23:08
- @Turon: Re: Der Kreuzritterorden - Galiani, 02.12.2003, 22:43
- Re: Klassischer Beleg FÃœR die Machttheorie - dottore, 03.12.2003, 17:15
- Re: Korrektur:"... war die Freiheit nicht von Anfang an da..." plus Zusatz: GB - dottore, 03.12.2003, 18:19
- @dottore: Nach Lektüre erst der 1. Zeile-Es kann natürlich überhaupt keine Rede - Galiani, 03.12.2003, 18:32
- Re: Auf der Suche nach literarischen Belegen gegen die - Gatsby, 02.12.2003, 20:21
Re: Klassischer Beleg FÃœR die Machttheorie
-->Hi Galiani,
vermutlich halten Sie mich für einen sehr primitiven Menschen, der sich vom Einsatz des bewaffneten Zwangs eine Welt voller Wohlstand verspricht. Davon kann jedoch keine Rede sein.
Das"Modell" wirkt vielmehr so:
1. Es beginnt mit den Nomaden, die sich sesshaft machen. Die näheren Umstände der Sesshaftigkeit sind noch unklar (ich hatte dies als Desiderat an Popeye gepostet). Die Nomaden sind bewaffnet. Die Waffen, die sie besitzen, wobei Besitz das Eigentum daran garantiert, sind ihr Kapital, wie Waffen überhaupt das erste Kapital sind (Danke an Tarantoga für den korrigierenden Hinweis), weil sich mit ihrer Hilfe etwas erreichen lässt, was sich ohne sie nicht erreichen ließe.
2. Jene im rich environment (und nicht etwa die darbenden, siehe nochmals Oaxaca, vgl. Kelly-These) können ihre Waffen nutzen, um andere zur Leistung zu zwingen. Nach den Beutezügen beginnen die Tribute, als laufende und nicht nur einmalige Beute. Aus der jeweiligen Subsistenzmittelwirtschaft kommt es zur tributären Produktionsweise (vgl. Bernbeck), d.h. jene, die gezwungen werden, beschaffen die Subsistenzmittel für jene, die zwingen können. Die Tributeinforderung geschieht zunächst immer in der Nachbarschaft, also beim nächsten Dorf (Sesshaftigkeit) und weitet sich nach entsprechenden"Reichsbildungen" immer weiter aus, bis andere Reiche dem entgegen stehen (siehe die 5 Großreiche der frühen Antike) oder bis neue Räume"entdeckt" werden, was zu Expansion, Kolonialismus, Imperialismus usw. führt.
3. Dies endet in sich selbst, da derjenige, der gezwungen, also unfrei ist, mit seiner Leistung nachlässt, bzw. das Erzwungene nur widerwillig herstellt, wie x-fach in der Geschichte zu beobachten, wo solche Systeme, sofern sie internalisiert werden, das Tributgebiet also zum Steuergebiet mutiert, über kurz oder lang die Verelendung einsetzt, die auch auf den Zwingherrn durchschlägt.
4. Besteht die Möglichkeit, die Abgaben zu externalisieren, kann dieses System aufrecht erhalten werden, bis die Externalisierung wiederum zur Internalisierung führt (Eingliederung von Tributgebieten als"Provinzen" usw., x-fache historische Beispiele, nur das römische Imperium als Beispiel).
5. Dass im Laufe dieses Prozesses sowohl konkurrierender Mächte im Inland (wer kann sich in die Position des Zwingherrn manövrieren, also"herrschen"?) als auch gegenüber anderen Machtgebieten der Kauf von Macht-Helfern (Söldnern) eine Rolle spielt und diese Transaktionen mit Hilfe von - dadurch! - kurantem Geld (ursprünglichem Abgabengut) abgewickelt werden und Handel (= Erlangung des Abgabengutes) entsteht, wurde schon ausführlich dargelegt. Der Söldner ist in der komfortablen Situation, von der Macht im Areal A in etwas bezahlt zu werden, was im Areal B als Tribut abgefordert wird (er selbst sitzt im Areal C, siehe Gotland) oder im Areal B und kann aus diesem oder dem Areal A entsprechende Güter und Leistungen ziehen, das Areal B und A das, was er als Sold erhalten hat, ihrerseits als Abgabe an die Macht in Areal A zu leisten haben.
6. Sitzt nun die Macht in einem Areal, das sie nur noch besteuern kann (Kriege zur Erlangung von weiteren Tributgebieten lassen wir ab jetzt weg), entsteht für sie ein Problem: Sie muss von der Macht, die immer noch zu 100 % bei ihr liegt, weil sie das Waffenmonopol hat (auch hier wieder der Mythos vom"lahmen Schmied") etwas abtreten (zedieren) oder eben von ihren Machterhaltungsmitteln - oder die Verelendung und/oder damit ihr eigener Untergang sind die Folge (siehe den Untergang der griechischen Tyrannis usw.).
7. Dieser Zwang zur Zession schlägt sich in allerlei Varianten nieder. Die Zession läuft unter dem bekannten Stichwort "Privilegia" (siehe dazu das bekannte Mosaik in Ravenna mit der"Privilegia"-Rolle). Entscheidend bleibt, dass jedes dieser Privilegien beurkundet sein muss, so dass es nicht durch faktisches Handeln der Macht wieder einkassiert werden kann. Was natürlich auch vorgekommen ist, siehe die Entwicklung in Russland: Erst Katharina die Große (der deutsche background!) hat dort privates Eigentum (beurkundet und obendrein als Titel, der sich aus der Urkunde ergibt, dann wieder nutzbar) eingeführt. Die Bolschewiken haben es wieder gestrichen (Rückfall des privaten Eigentums an die Macht, die es überhaupt erst ermöglicht hatte - die Vor-Katharina-Phase eben). Ergebnis: Erneut Verelendung, wie im real existierenden Sozialismus bestens zu betrachten.
8. Neben allerlei Privilegien, die hier nicht weiter verfolgt werden müssen, da sich sich von selbst erklären (Münzprivileg, Gerichtsprivileg, Waffenprivileg [die Macht zediert an"Barone" usw.], Marktprivileg, Handelsprivileg, Staatshaushaltsprivileg - warum berief Ludwig XVI. wohl die bei Besteuerungsfragen zuständigen, weil bereits entsprechend privilegierten"Generalstände" im Mai 1789 ein? usw., usw.) sind vor allem die Eigentums-Privilegien entscheidend: Eigentum an sich selbst und Eigentum an Grund und Boden: Aufhebung der Leibeigenschaft (oder Ähnlichem) und Ermöglichung des privaten Eigentums an Gütern, wobei es über dem"Freien" und dem"freien Eigentum" weiterhin beim Obereigentum der jeweils darüber stehenden Macht bleibt (Wehrdienst, Besteuerungen aller Art, u.ä.).
9. Dieses Unter-Eigentum entsteht grundsätzlich nicht in Form eines"freiwilligen" Machtverzichts, sondern aufgrund von Zwangslagen, in der sich der Ober-Eigentümer (Macht) über kurz oder lang befinden muss. Dieses"private" Eigentum wird also erkämpft, siehe Lollarden, siehe den parallelen Versuch in den deutschen Bauernkriegen, wie auch sonst alle"Reformen" wie Stein-Hardenberg (Preußen musste, obwohl es nicht wollte) nur unter Druck (= Gefahr des Machtverlustes mit anschließenden unangnehmen Konsequenzen für die Ex-Machthalter) zustande kommen. (Gilt bis heute aktuell in Deutschland).
10. Hat sich die Macht (die Zeiten der Tributierung usw. sind längst vorbei, da die Areale verteilt sind, letzte Zuckungen siehe Irak) ihrer sämtlichen Möglichkeiten zur Privilegierung begeben, wobei die Privilegierungen immense Wohlstandsschübe bedeuten - was nicht weiter ausgeführt werden muss, siehe allein die Möglichkeit, aus privatem Eigentum jetzt seinerseits"Zins" [= Steuer = Miete usw.] zu ziehen und weiteres Eigentum (= privates Kapital) zu schaffen, bleibt ihr nur noch die letzte Zessionsmöglichkeit, nämlich die der Abgabenzession über die sog."Staatsverschuldung": Das Besteuerungsrecht geht de facto (de jure bleibt es bei der Macht, die dann aber ihrenseits"Zins" bezahlen muss, wobei Zins wieder = census = Steuer) an die Halter von Staatsmacht-Titeln über. Das führt - ganz nebenbei - zwangsläufig zu der bekannten und oft genug dargestellten "ungleichen" bzw."ungerechten Verteilung" und entlädt sich ebenfalls über kurz oder lang im Umsturz. Vom allgemeinen Verrentungseffekt, auf den ich nicht müde wurde, schon seit Jahren hinzuweisen, ganz zu schweigen. Was im Klartext heißt: Die Möglichkeit über weitere mit Privilegierungen und Zessionen ("Reformen") neue Wohlstandsschübe zu schaffen, endet ebenfalls.
Das also sind Geschichte und Gegenwart des Wirtschaftens unter dem Aspekt eines ursprünglichen und den Prozess ununterbrochen begleitenden, weil einmal in die Welt gesetzten, Macht- und Zwangssystems - egal, ob man es als Autokratie oder als Demokratie aufzieht: Es muss sich immer wieder in sich selbst erschöpfen und sind seine Zessionsmöglichkeiten beendet, holt den bewaffneten Zwang just wieder das ein, was ihn immer einholt (siehe ganz oben): Der unaufhaltsame Niedergang setzt ein.
Dagegen helfen keine Tricks, weder mit Hilfe von"neuen Geldsystemen" noch mit"Reformen", wenn diese Reformen keine Zessionen mehr sind, sondern nur noch Umverteilungsversuche, wobei die Privilegierungen nur noch ein Hin- und Hergeschiebe von längst erteilten Privilegien sind (siehe"Sozialstaats"-Debatten usw.).
Unser Dissens liegt damit weiter offen zu Tage:
Sie gehen von einem a priori"freiheitlichen" Zustand aus (Stichworte Naturrecht und Gesellschaftsvertrag), der mal mehr, mal weniger eingeschränkt wurde, bei dem die Einschränkungen aber reversibel sind, so dass (eines gesegneten Tages) der"freiheitliche Urzustand" wieder hergestellt werden kann. Wo dann alle mit allen in völliger Gleichheit und Freiheit miteinander handeln und wandeln können.
Ich gehe auch von einem ursprünglichen"Zustand" aus: dem des Nomaden, Jägers, des Stammes usw. und es wäre töricht, das zu bestreiten. Allerdings tritt für mich dann der bewaffnete Zwang in Krieg und Frieden ein (der Frieden ist kein zwang-"loser" Zustand oder gar ein macht-"loser", wobei"Macht" durchaus auch in anderen Ausformungen erscheinen kann, wie Priester, die Abgaben fordern, Gottkönige, usw.).
Da der Zwang der menschlichen Natur zuwider läuft, kann er sich ökonomisch (Waffen-, Geld-, Abgabenmonopole sind ökonomische Größen, da sie ökonomische Auswirkungen haben) nur halten, solange er [b]in Teilen zediert werden kann, woraufhin dann Sub-Zwingherrn erscheinen, die als Grundherrn, Grundeigentümer, Kapitalisten,"Reiche" usw. breite Angriffsflächen bieten. Lassen sich keine neuen Zwingherrn mehr finden oder konstruieren, die ihren Zwang mit Hilfe der Staatsmacht ausüben (siehe heute die"zivilisierte" Form der Besicherung und Exekution von Eigentum und Verträgen durch die Staatsmacht usw.), schlendert die gesamte Veranstaltung ihrem Ende entgegen.[/b]
Noch gibt es Prolongations- und Zessions-Reservoire, man denke nur an China (wie Heinsohn schreibt, hat sich der Anteil der privaten Eigentümer am Shanghaier Wohnungsbestand von 0 auf 90 % gesteigert). Doch letztlich ist es nicht möglich, das Problem der"Macht" zu lösen: Sie muss immer erst da sein (und war immer erst da), bevor arbeitsteilig, kontraktlich, eigentumsbasiert usw. gewirtschaftet werden konnte. Dieses Vorfinanzierungsproblem schafft kein wie auch immer konstruierter bewaffneter Zwang (und damit der Einsatz der Waffe selbst) aus der Welt. Macht vor Steuern, Steuern vor Einkommen - so ist nun mal der Lauf der Welt.
Nun noch kurz zu dem sehr interessanten Beitrag selbst:
>Lujo Brentano fährt fort: „Aber das einzige, was hätte geschehen können, um die Leinenweberei zur Blüte zu bringen, die Beseitigung
der Unfreiheit wurde nicht in Angriff genommen, der freie Unternehmungsgeist dagegen wurde erstickt. So waren die Zeiten, die
Friedrich vorbereitete, nicht die Blüte, sondern der Verfall. Nicht die Länder, in denen die Konkurrenz mit Knutenstrafe aufkam aber
waren es, die der schlesischen Leinenindustrie gefährlich wurden, sondern die freien Länder."
Genau das bestätigt die obigen Punkte: Warum gab es denn überhaupt"Unfreiheit", die beseitigt werden sollte? In den"freien Ländern" war die Unfreiheit ja nicht von"Anfang an" da, sondern, siehe insbesondere England, bereits als persönliche Freiheit längst zediert worden (vorher waren alle im englischen Macht-Areal ebenfalls unfrei, die Macht-Clique ausgenommen (Barone-Phänomen, in Städten dann Patrizier-Phänomen, usw.).
>Nach dem Zusammenbruch des friderizianischen Staates und seiner widersinnigen Gewerbepolitik sollten die schlesischen Leinenweber
wie die preußischen Bauern endlich „befreit" werden. Aber Friedrich II. hatte in ganz Ostelbien und auch in Schlesien dafür gesorgt, daß
selbst nach seinem Tode die politische Macht in den Händen der Grundherren blieb, in deren Sklaverei er die Weber festgehalten hatte.
Ja, das war ein böser Fehler an dem festzuhalten, was den bewaffneten Zwang ausmacht. Friedrich II. hätte früher zedieren sollen!
Doch wie ist es denn überhaupt zu der"Sklaverei" gekommen? Ganz simpel: Sie war seit dem Auftreten des bewaffneten Zwangs da, denn hätten die Sklaven die Waffen gehabt und nicht umgekehrt die Herren, wäre es halt andersrum gewesen. Die Grundherren wurden bereits mit"Freiheitsrechten" bedient (Machtzession, sonst wäre alles Land in Händen des Königs bzw. Herrschers geblieben), die armen Weber indes noch nicht.
Summa: Je mehr und je früher Macht zediert wird, desto größer der relative [!] Vorsprung des betreffenden Areals (England besser als Preußen). Ist keine Macht mehr zu zedieren, nicht mal mehr weitere Teile der Abgaben-Macht, da offenkundige"Überschuldung" der Staatsmacht in toto droht, ist das Spiel aus.
End Game thus is nigh - wie zügig es jetzt abgewickelt wird, weiß niemand. Vor allem in der Schlussphase ist der bewaffnete Zwang, wie wir aus der Geschichte wissen, nicht zu unterschätzen, waidwund wie er ist.
Nochmals besten Dank für das schöne Posting und besten Gruß!
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