- dottore, eine Frage - nereus, 09.08.2002, 08:41
- Unerfreuliche Schlussfolgerungen? - silvereagle, 09.08.2002, 15:45
- Re: Stimme zu! Danke für die Interpretation (owT) - dottore, 09.08.2002, 21:05
- Re: dottore, eine Frage - Burning_Heart, 09.08.2002, 16:01
- 'Profitdenken' - silvereagle, 09.08.2002, 16:37
- Re: 'Profitdenken' / Ja, bitte!.....mT - ---- ELLI ----, 09.08.2002, 16:40
- Re: 'Profitdenken' - Burning_Heart, 09.08.2002, 17:19
- :) oha (owT) - Burning_Heart, 09.08.2002, 17:26
- Re::) oha / Nur einmal aufs Knöpfchen drücken ;-) oT (owT) - --- ELLI ---, 09.08.2002, 17:28
- :) oha (owT) - Burning_Heart, 09.08.2002, 17:26
- 'Profitdenken' - silvereagle, 09.08.2002, 16:37
- Re: dottore, eine vorsichtige Frage auch von mir - ITOma, 09.08.2002, 20:35
- Re: dottore, eine vorsichtige Frage auch von mir - dottore, 09.08.2002, 21:23
- Re: dottore, eine Frage - dottore, 09.08.2002, 21:01
- Re: dottore, eine Frage - und ein paar Antworten ;-) - nereus, 10.08.2002, 11:59
- Re: Gesellschaftliche Ächtung ist nicht vorab vereinbarter Kontrakt - dottore, 10.08.2002, 22:23
- Re: Gesellschaftliche Ächtung - mir wird langsam schwindelig, aber nicht.. - nereus, 11.08.2002, 12:02
- Re: Gesellschaftliche Ächtung - mir wird langsam schwindelig, aber nicht.. - dottore, 11.08.2002, 14:20
- Re: Gesellschaftliche Ächtung - mir wird langsam schwindelig, aber nicht.. - nereus, 11.08.2002, 12:02
- Re: Gesellschaftliche Ächtung ist nicht vorab vereinbarter Kontrakt - dottore, 10.08.2002, 22:23
- Re: dottore, eine Frage - und ein paar Antworten ;-) - nereus, 10.08.2002, 11:59
- @nereus Re: 'dottore, eine Frage' - Habe das erst jetzt entdeckt! Antwort: - Galiani, 10.08.2002, 19:15
- Unerfreuliche Schlussfolgerungen? - silvereagle, 09.08.2002, 15:45
Re: Gesellschaftliche Ächtung ist nicht vorab vereinbarter Kontrakt
>Hallo dottore!
>Nun habe ich ein paar mal Ihr ausführliches Posting überflogen und versuche Ihre Antwort einmal aufzuarbeiten.
>Ursprünglich ging es ja um die Arbeitsteilung von der behauptet wurde, dass diese eine Folge des Abgabenzwanges gewesen sei.
Hallo nereus!
Die mit Hilfe von Kontrakten abgewickelte Arbeitsteilung. Kontrakte enthalten vorab vereinbarte Leistungen bzw. - im Rahmen der allgemein geltenden sonstigen Zivil-Gesetze - entsprechende Strafen bei Nicht-Erfüllung.
>Mguder hat mich diesbezüglich kurz und bündig abgefertigt - ich leide noch immer darunter.
>Später wurde dann zwischen der Arbeitsteilung der Stammesgesellschaft und der in einer Geldwirtschaft unterschieden.
Das war von vorneherein klar, siehe Heinsohn/Steiger. Ich hatte es allerdings voraus gesetzt, ohne zu wissen, dass es nicht allgemein bekannt war. Bitte um Entschuldigung.
>Dann schreiben Sie u.a.: Ja, ist wie die Aufgabe, gemeinsam ein Haus zu bauen - ohne dass jemand der daran Beteiligten in Geld entlohnt wird.
>Da baut also jemand mit nachbarschaftlicher Hilfe ein Haus und alle packen kräftig mit zu.
So läuft es im Stamm. Das Wort"Nachbar" ist heute geldwirtschaftlich besetzt. Im Stamm gibt es diesen"Nachbarn" nicht.
>So ganz selbstlos kann diese Hilfe aber nicht sein da man zuvor vielleicht selbst die Hilfe des Häuslebauers in Anspruch nahm oder davon ausgeht, dass man später auf Ihn zurückgreifen kann.
Richtig. In modernen Geldwirtschaften. Es ist übrigens bei stammesähnlichen Gemeinschaften immer noch so, siehe z.B. die Amish People.
>Man fühlt sich ihm einfach verpflichtet und hegt daher eine gewisse Erwartungshaltung.
In unserer heutigen Geldwirtschaft ja.
>Dieses"Verpflichtet sein" hat überhaupt nichts mit Macht und Abgaben zu tun.
Ja.
>Es ist eine moralische Schuld die sich aus dem Zusammenleben vieler Menschen nun einmal ergibt. Und dies geschieht ohne unterschriebenen Vertrag.
Ja.
>Wo ist der Unterschied zwischen dem Zustecken von z.B. 500 EUR oder dem Versprechen des Häuslebauers?
Zustecken ist ein Schenkungsvertrag mit allen Konsequenzen. Ein Versprechen ist kaum mehr einklagbar. Es gibt noch eine zwielichtige Zone, z.B. im Erbrecht. Selbst das Ehe-Versprechen ist nicht mehr einklagbar (Kranzgeld usw.).
>Dieser sagt nämlich: Wenn Du nächstes Jahr Dein Grundstück in Ordnung bringst, baue ich Dir einen neuen Zaun als Dank das Du mir jetzt so hilfreich zur Seite standst. Du musst nur das Material besorgen.
Ja.
>Es ist doch völlig wurst ob sich dahinter ein einklagbarer Vertrag verbirgt oder ob da nur ein mündliches Versprechen abgegeben wurde.
Nein, der Unterschied liegt auf der Hand. Verträge sind jederzeit ohne Wenn und Aber einklagbar (simpler Urkundsprozess ohne mündliche Verhandlung), Versprechen als solche praktisch nicht mehr.
>Hält sich der zukünftiger Zaunbauer nicht an sein einst abgegebenes Versprechen wird ihn der Helfer beim nächsten Mal eine lange Nase machen.
Wahrscheinlich.
>Daher kann ich ihrem"Nichtentlohnen" so nicht ohne weiteres folgen, was ehrenamtliche Tätigkeit oder charitatives Tun nicht ausschließt.
Jedem ist es unbenommen, auch in einer Geldwirtschaft karitativ zu sein.
>Ich fragte: Wo liegt hier bitte der alles entscheidende Unterschied?
Caritas ist jederzeit möglich. Dies hat aber mit einer Geld- und Kontraktwirtschaft, deren Kennzeichen die Vollstreckungsmöglichkeit ist, nichts zu tun.
Wir können gern auch eine Wirtschaft konstruieren, in der es keinerlei vollstreckbare Verträge gibt, sondern nur"moralische Verpflichtungen". Dies entspricht nur leider nicht dem, was wir heute haben.
Aber möglich ist alles. Es müssten sich dann alle, die auf Kontrakt und dessen Erfüllung hin arbeiten, sich gegenseitig auf die gleiche Leistungserbringung freiwillig verständigen.
Das bekannte Freigeld-Problem.
>Sie antworten: Im Kontrakt. Der muss auf beiden Seiten erfüllt werden, auf der einen Seite gemeinhin in Geld. Der Kontrakt ist vollstreckbar. Im Stamm wird nicht vollstreckt, in was denn? Höchstens es wird gemeckert.
>Es wird höchstens gemeckert? Na, sie machen mir ja Spaß.
>Bei Nichteinhaltung der Regeln droht der Ausschluß aus der Gemeinschaft was wahrscheinlich den Tod bedeuten könnte. Anfangs wird sicherlich gemeckert, aber ab einem bestimmten Punkt wird zusätzlich mal kräftig hingelangt.
So schaut es in der Regel aus.
>Irgendwo habe ich mal gelesen, weiß jetzt leider nicht mehr wo genau, das ein Stamm in Indonesien oder Afrika, das Nichtbeachten seiner Regeln und Sitten drakonisch bestraft.
Ist vermutlich noch weiter verbreitet.
>Ich sehe keinen Unterschied darin ob man mich, von einem ordentlichen Gericht, zu einer Geldstrafe oder gemeinnütziger Arbeit verurteilt oder ob die permanente Nichteinhaltung meiner gegebenen Versprechen durch Auflauern im dunklen Flur, mit dem Ergebnis eines vierwöchigen Gipsbettaufenthaltes, dankend entlohnt wird.
Das Gericht tritt nur nach Abschluss eines nicht erfüllten Kontrakts in Aktion. Ansonsten kann es durchaus so sein.
>So handzahm, wie Sie unterstellen, ist die Sippe von damals und heute nicht.
Es gibt sehr geduldige Sippen. Kenne das aus meiner Verwandtschaft.
>Sie schreiben bezüglich der Arbeitsteilung in der Stammesgesellschaft:
> Nein, eine durchaus sinnvolle Arbeitsteilung, die aber ohne Kontrakte und Geld auskommt.
>Das Geld ist doch letztlich auch ein Kontrakt.
Das Geld ist ein Kontrakt, ohne Frage. Also einklagbar. Wenn auch - wie heute - nur in etwas, was wiederum Geld ist (GZ).
>Wie ich oben geschrieben habe macht es in der allerletzten Konsequenz keinen großen Unterschied ob ich meine schriftlich gegebenen Versprechen dauernd missachte oder ob ich den freundschaftlichen Handschlag oder die mündliche Zusage immer wieder unterlaufe.
Es gibt schon Unterschiede. Sie wurden in Gesetzen immer deutlicher herausgearbeitet. Alle frühen Gesetze sind letztlich Strafrechts-Kataloge: Was passiert mir (muss ich zahlen usw.), wenn ich etwas tue, was den üblichen oder gemeinschaftlichen Vorschriften zuwiderläuft.
>Ich frage: Wo fängt das eine an und wo hört das andere auf?
>Sie antworten: Beim Geld, das aus der stammesfremden Abgabe entsteht (Zwang).
>Der Zwang ergibt sich aus der getroffenen Vereinbarung, mit und ohne Macht.
Der stammesinterne Zwang ist keine eindeutig definierte Angelegenheit. Die klare Definition der"Strafe" ergibt sich erst mit der Kodifizierung. Und die lautet auf eindeutig (Menge, Gewicht, Zahl usw.) definierte Leistungen.
>Es muss nicht immer die Polizei oder der Staatsanwalt einrücken.
Nach der Kodifizierung ja. Nicht der Staatsanwalt, sondern der Gerichtsvollzieher.
>Böse Gerüchte, zerstochene Reifen und drei gebrochene Rippen erfüllen auch ihren Zweck.
Einen Zweck schon. Aber nicht die in der Kodifizierung vorgeschriebenen Leistungen.
>Und schließlich frage ich: Aber damit wurde die Arbeitsteilung doch nicht erfunden?
>Sie antworten: Nein.
>Danke für's Gespräch. ;-)
Die geldwirtschaftliche Arbeitsteilung (nicht die Teilung von Produktionsabläufen) basiert auf Kontrakten, die nach vorher festgelegter Erfüllung drängen.
>Nochmals Sie: Aber ohne Macht etc. hätte es diese Form der Wirtschaftsentwicklung, die wir heute bestaunen können, nicht gegeben. Sie wird nur nicht von jedem als"schön" empfunden, wie Kritik aus allen Ecken zeigt.
>Hierbei möchte ich Ihnen zustimmen. Die Geschwindigkeit hat durch den Zinsdruck ganz sicher zugenommen, aber das hatten Galiani oder ich auch nie in Frage gestellt.
Diese Wirtschaftsleistung basiert auf Kontrakten (also eindeutig nach Termin, Art und Summe der Leistung bestimmten Abläufen). Vor diesen Kontrakten, die auf Leistung und Gegenleistung basieren, haben wir die <b<Abgabe[/b], also eine Leistung ohne oder mit fingierter oder"religiös" oder"ideologisch" überhöhter Gegenleistung ("Staat schützt","Gesellschaftsvertrag" usw.).
Der Zinsdruck ist ein absolutes Novum der Geschichte gewesen. Der Zins ist immer zuerst die Abgabe (= census = Steuer). Also öffentlich-rechtlich.
Der private Zins ist ohne besicherten Kredit nicht vorstellbar. Die Besicherung selbst wiederum nicht ohne Macht (= Garant für privates Eigentum). Und die Vollstreckung auch nicht.
> Was meinst Du mit Entwicklung und Fortschritt?
>Damit meinte ich eine 500 km lange Strecke einmal zu Fuß, zu Pferde, mit dem Auto oder dem Flugzeug zurückzulegen. Technischer Fortschritt wäre hier sicherlich erkennbar.
Technischer Fortschritt ist ziemlich relativ. Die Maja kannten selbstverständlich das Rad, aber sie transportierten ihre Abgaben über weite Strecken persönlich bis zum Tempel (Abgabenplatz).
Wir dürfen nicht übersehen, was den technischen Fortschritt als angewandten technischen Fortschritt verursacht hat. Im alten Rom gab es bereits Dampfmaschinen (siehe die schöne Stelle bei Amalrik), aber sie wurden nicht für die Steigerung der Minenproduktion benötigt, da die römischen Minen nicht abgesoffen sind.
> Ich denke, die Lebensqualität eines Stammes war nicht so schlecht. Die abgabenfreien Bauern, die ich kennen gelernt habe, waren überaus zufriedene Menschen.
>Nun ja, darüber lässt sich sicherlich trefflich streiten.
Selbstverständlich. Jeder hat da so seine Erfahrungen.
>Was ist Lebensqualität? Das muß wohl jedes Individuum für sich selbst herausfinden.
Ja.
>Manche sollen sogar an ihrem Lebensende festgestellt haben, dass sie eigentlich am Leben vorbei gelebt haben.
Soll es geben.
> Die wachsende Bevölkerung wurde durch die Macht erzwungen, siehe ausführlich Jean Bodin, den ersten modernen"Staatstheoretiker", der das fürchterliche Buch"Daemonomania" veröffentlicht hat und die Hexenprozesse (gegen die"weisen Frauen", die Verhütung kannten).
>Womit erklären Sie sich die dramatische Bevölkerungszunahme in Afrika, in Asien oder in Lateinamerika?
Zunächst war vom 16. Jh. die Rede. Aber nehmen wir die Bevölkerungspolitik der Katholischen Kirche. Die kenne ich ganz gut und kann versichern, dass sie sich aus sich selbst heraus erklärt: Machtmaximierung durch Gläubigenmaximierung.
>Weil die amtierende Macht das so will?
>In China wird sogar die Ein-Kind-Ehe propagiert. Wer sich nicht daran hält wird abgestraft.
>Und in China gibt es doch ganz sicherlich eine Macht, oder?
Das Beispiel China bestätigt die Machttheorie: Zu viele Menschen bringen wiederum Probleme mit sich, welche die Macht selbst gefährden könnte.
Gruß!
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